Das Geheimnis Der Schönen Toten
Gerechtigkeit zu üben. Ihr habt ihnen geholfen, Unrecht zu vermeiden.«
»Nun, anders hätten wir doch gar nicht handeln können«, entgegnete sie schlicht, »nachdem wir erfahren hatten, wie dringend es ist. Es möchte doch niemand einen armen Mann einen Tag länger im Gefängnis lassen als unbedingt nötig, wenn er nichts Unrechtes getan hat.«
»Und woher habt Ihr erfahren, wie dringend es ist?« wollte Cadfael wissen. Das war die Frage, deretwegen er hergekommen war, und sie beantwortete sie fröhlich und offen, ohne etwas von ihrer wirklichen Bedeutung zu ahnen.
»Man hat es mir erzählt. Wirklich, wenn in dieser Angelegenheit jemandem zu danken ist, dann nicht uns, sondern dem jungen Mann, der mir von dem Fall erzählte, denn er hatte sich überall nach Gunnild erkundigt, ob sie den Winter des letzten Jahres in irgendeinem Haushalt in diesem Teil der Grafschaft verbracht hat. Er hatte nicht erwartet, sie immer noch hier und überdies in so günstigen Lebensumständen zu finden, doch es war eine große Erleichterung für ihn. Ich habe nichts weiter getan, als Gunnild mit einem Reitknecht nach Shrewsbury zu schicken. Er war überall in der Gegend herumgeritten, um nach ihr zu fragen, um zu erfahren, ob sie am Leben und wohlauf sei, und sie zu bitten, sich zu melden und dies zu beweisen, denn sie wurde für tot gehalten.«
»Es ist ihm hoch anzurechnen«, sagte Cadfael, »daß er sich so um die Gerechtigkeit gesorgt hat.«
»Das ist es wirklich!« stimmte sie mit Wärme zu. »Wir waren nicht die ersten, die er besuchte. Er war sogar bis Cressage geritten, bevor er zu uns kam.«
»Ihr kennt seinen Namen?«
»Bis dahin hatte ich ihn nicht gekannt. Er sagte mir, er sei Sulien Blount von Longner.«
»Hat er ausdrücklich mit Euch sprechen wollen?« fragte Cadfael.
»O nein!« platzte sie überrascht und amüsiert heraus, und diesmal konnte er nicht sicher sein, daß sie sich der neugierigen Beharrlichkeit seiner Fragen nicht doch bewußt war.
Sie sah jedoch keinerlei Grund, mit der Antwort zu zögern.
»Er fragte nach meinem Vater, aber Vater war auf den Feldern und ich auf dem Hof, als er angeritten kam. Es war reiner Zufall, daß er mit mir gesprochen hat.«
Immerhin ein angenehmer Zufall, dachte Cadfael, einem Mann in bedrängter Lage unerwarteten Trost zu schenken.
»Und als er erfuhr, daß er die gesuchte Frau gefunden hatte, hat er darum gebeten, sie zu sprechen? Oder das Euch überlassen?«
»Ja, er hat mir ihr gesprochen. Er erzählte ihr in meiner Gegenwart, daß der Hausierer im Gefängnis sitze und daß sie sich melden und beweisen müsse, daß er ihr nie etwas angetan habe. Und das hat sie dann bereitwillig getan.«
Sie lächelte jetzt nicht mehr, sondern war eher ernst, aber immer noch offen, direkt und wohlwollend. Ihren intelligenten, klaren Augen war anzumerken, daß sie einen tieferen Zweck hinter seinen Fragen vermutete und sich um deren eigentliche Bedeutung sorgte, darin aber gleichwohl keinen Grund sah, etwas zurückzuhalten oder Ausflüchte zu machen, da die Wahrheit in ihren Augen nie schädlich sein konnte. So stellte er die letzte Frage, ohne zu zögern:
»Hat er Gelegenheit gehabt, sie allein zu sprechen?«
»Ja«, erwiderte Pernel. Ihre sehr großen und fest auf Cadfaels Gesicht gerichteten Augen waren von einem goldenen, sonnendurchschienenen Braun und heller als ihr Haar. »Sie dankte ihm und ging mit ihm auf den Hof, als er aufsaß und wegritt. Ich war mit den Kindern im Haus. Die waren nämlich gerade hereingekommen, und es war fast schon Zeit für das Abendessen. Aber er wollte nicht bleiben.«
Aber sie hatte ihn gefragt. Er hatte ihr gefallen, und sie dachte auch jetzt gern an ihn und fragte sich, wenn auch ohne jede böse Ahnung, was dieser Mönch aus Shrewsbury über die Vorhaben und Liebenswürdigkeiten und das Tun und Lassen von Sulien Blount von Longner wissen wollte.
»Ich weiß aber nicht«, fuhr Pernel fort, »was sie miteinander sprachen. Ich bin sicher, daß es nichts Unrechtes war.«
»Das«, sagte Cadfael, »würde ich auch vermuten. Ich denke, der junge Mann hat sie vielleicht gebeten, beim Sheriff im Schloß nichts davon zu erwähnen, daß er es sei, der sie gesucht habe, sondern zu sagen, sie habe durch Gerüchte von Britrics Notlage und ihrem vermeintlichen Tod erfahren. Neuigkeiten reisen schnell. Sie hätte es am Ende ohnehin erfahren, aber nicht so schnell, wie ich fürchte.«
»Ja«, sagte Pernel, die vor Aufregung glühte, »das kann ich mir
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