Das Geheimnis Der Schönen Toten
bei ihm vorstellen, daß er seine Herzensgüte nicht bekannt werden lassen wollte. Warum? Hat sie seine Bitte erfüllt?«
»Das hat sie. Daraus kann man ihr jedoch keinen Vorwurf machen, und außerdem hatte er das Recht, sie darum zu bitten.«
Vielleicht nicht nur das Recht, sondern auch den dringenden Wunsch! Cadfael machte Anstalten, aufzustehen und sich für die Zeit zu bedanken, die sie ihm gewidmet hatte, und wollte sich gerade verabschieden, doch sie streckte eine Hand aus, um ihn zurückzuhalten.
»Ihr dürft nicht gehen, ohne in unserem Haus eine Erfrischung zu Euch zu nehmen, Bruder. Wenn Ihr nicht bleiben und mit uns zu Mittag essen wollt, laßt mich wenigstens Gunnild rufen. Sie kann uns etwas Wein bringen.
Vater hat auf der Sommermesse französischen Wein gekauft.« Damit war sie schon auf den Beinen und eilte quer durch die Halle zur Schiebetür, und bevor er annehmen oder ablehnen konnte, hatte sie schon gerufen. Es ist nur recht und billig, überlegte er. Er hatte bekommen, was er haben wollte, und sie hatte es ihm ohne Groll und furchtlos erzählt; jetzt wollte sie etwas von ihm. »Gunnild brauchen wir nichts zu sagen«, sagte sie bei ihrer Rückkehr leise.
»Sie hat ein hartes Leben hinter sich, und wir sollten ihr erlauben, es zu vergessen und alles, was daran erinnert. Sie ist mir eine gute Freundin und Dienerin gewesen und liebt die Kinder.«
Die Frau, die mit Flasche und Gläsern aus Küche und Vorratskammer hereinkam, war hochgewachsen und wäre eher mager als schlank zu nennen gewesen, aber sie bewegte sich in ihrem einfachen dunklen Gewand gleichwohl mit natürlicher Anmut und elastisch. Das von ihrer weißen Haube umrahmte Gesicht hatte einen olivfarbenen Teint und war angenehm anzusehen, und die dunklen Augen, die Cadfael mit gelassener, aber wachsamer Neugier musterten und mit fast besitzergreifender Zuneigung auf Pernel ruhten, waren immer noch klar und schön. Sie bediente beide mit geschickter Hand und zog sich dann taktvoll zurück. Gunnild hatte einen sicheren Hafen gefunden, den sie nicht wieder zu verlassen gedachte, gewiß nicht auf Aufforderung eines Vagabunden wie Britric. Selbst wenn ihre Herrin heiratete, wäre da noch die kleine Schwester, die sie umsorgen mußte, und vielleicht stand eines Tages sogar für Gunnild eine Ehe in Aussicht, die komfortable, praktische Heirat zweier anständiger, alternder Diener, die lange genug gemeinsam gearbeitet hatten, um zu wissen, daß sie für den Rest ihrer Tage gut miteinander auskommen würden.
»Ihr seht«, sagte Pernel, »wie sehr es sich gelohnt hat, sie aufzunehmen, und wie zufrieden sie hier ist. Und jetzt«, fuhr sie fort und ging ohne Umschweife auf das los, was sie am meisten interessierte, »müßt Ihr mir von diesem Sulien Blount erzählen. Denn ich denke, Ihr müßt ihn kennen.«
Cadfael holte Luft und erzählte ihr alles, was sie seiner Ansicht nach über den einstigen Benediktiner-Novizen, dessen Heim und Familie und endgültige Entscheidung für die säkulare Welt wissen sollte. Bei der Geschichte des Töpferackers schloß das nicht mehr als die bloße Tatsache ein, daß dieser schrittweise von den Blounts in das Eigentum der Abtei gelangt war und beim ersten Pflügen den Leichnam einer Frau freigegeben hatte, nach deren Identität das Gesetz jetzt suchte. Das schien für einen Sohn der Familie Grund genug zu sein, ein persönliches Interesse an dem Fall zu zeigen und sich darum zu bemühen, den Unschuldigen von jedem Verdacht zu befreien. Es erklärte überdies zufriedenstellend die Sorge, die von dem Abt und dessen Abgesandten an den Tag gelegt wurde, diesem älteren Mönch, der jetzt mit Pernel in einer Fensterleibung saß und die ganze beunruhigende Geschichte mit kurzen Worten erzählte.
»Und seine Mutter ist so krank?« erkundigte sich Pernel, die mit großen, mitfühlenden Augen und gebannter Aufmerksamkeit zuhörte. »Wie froh sie sein muß, daß er sich letztlich doch entschieden hat, nach Hause zu kommen.«
»Der ältere Sohn hat im Sommer geheiratet«, sagte Cadfael, »so daß eine junge Frau im Haus ist, die sie trösten und umsorgen kann. Aber ja, gewiß wird sie froh sein, Sulien wieder bei sich zu haben.«
»Es ist gar nicht so weit weg«, sagte Pernel sinnend und halb zu sich selbst. »Wir sind fast Nachbarn. Glaubt Ihr, Frau Donata könnte sich je wohl genug fühlen, um Besucher empfangen zu wollen? Wenn sie nicht ausgehen kann, muß sie sich manchmal einsam fühlen.«
Cadfael verabschiedete
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