Das Geheimnis Der Schönen Toten
mit ihm in dieser Angelegenheit nicht schon sehr ernsthaft gesprochen.« Sie hatte sich dekorativ auf einem Ende der Bank niedergelassen und lehnte sich gelassen und aufrecht gegen die Wand. Ihr Gesicht hob sich hell vor dem dunklen Holz ab, und ihre Kapuze war ihr auf die Schultern gefallen. Gunnild, durch ein Lächeln und eine Geste aufgefordert, glitt aus dem Schatten heraus und setzte sich auf das andere Ende der Bank. Somit ließ sie eine taktvolle Lücke zwischen sich und ihrer Herrin, um den Standesunterschied zu betonen, doch sie setzte sich auch nicht zu weit weg, was betonen sollte, wie eng sie sich Pernel verbündet fühlte. »Es war Vater Ambrosius«, sagte diese, »der das Wort äußerte, das mich ausgerechnet an diesem Tag hierher gebracht hat. Vater Ambrosius hat ein paar Jahre in der Bretagne studiert. Wißt Ihr, Bruder, wessen Tag wir feiern?«
»Das sollte ich wohl«, sagte Cadfael und ließ den Blasebalg sinken, der in seiner Kohlenpfanne eine rote Glut erzeugt hatte. »Er ist ebensosehr Waliser wie ich und ein enger Nachbar dieser Grafschaft. Was ist mit dem heiligen Tysilio?«
»Aber habt Ihr auch gewußt, daß er in die Bretagne hinübergegangen sein soll, um vor der Verfolgung durch eine Frau zu flüchten? Und in der Bretagne erzählt man sich auch Geschichten aus seinem Leben, solche wie die, die Ihr heute bei der Zusammenkunft hören werdet. Aber dort kennt man ihn unter einem anderen Namen. Dort nennt man ihn Sulien.«
»O nein«, sagte sie, als sie sah, wie prüfend Cadfael sie musterte, »ich habe es nicht als Zeichen des Himmels betrachtet, als Vater Ambrosius mir das erzählte. Es war nur so, daß der Name mich zum Handeln veranlaßte, während ich zuvor nur brütete und unruhig war. Warum nicht an seinem Tag? Ich glaube nämlich, Bruder, Ihr haltet Sulien Blount nicht für das, was er zu sein scheint, daß Ihr glaubt, er sei nicht so offen, wie er sich gibt. Ich habe viel über diese Sache nachgedacht und mich nach vielem erkundigt. Ich denke, die Dinge stellen sich so dar, daß er in dem Verdacht steht, in dieser Angelegenheit der armen Toten, die Euer Pflüger unter dem Knick auf dem Töpferacker fand, zu viel zu wissen. Zuviel Wissen, vielleicht sogar Schuld. Stimmt das?«
»Zuviel Wissen gewiß«, erwiderte Cadfael. »Schuld, das ist reine Vermutung, obwohl es Anlaß zum Verdacht gibt.«
Er schuldete ihr Aufrichtigkeit, und sie erwartete sie auch.
»Wollt Ihr mir nicht«, sagte sie, »die ganze Geschichte erzählen? Ich kenne nämlich nur den Klatsch. Laßt mich klar sehen, in welcher Gefahr er vielleicht schwebt. Ob schuldig oder nicht, er würde nicht zulassen, daß ein anderer Mann unberechtigt beschuldigt wird.«
Cadfael erzählte ihr alles, angefangen bei der ersten Furche, die von dem Pflug der Abtei aufgeworfen worden war.
Sie hörte aufmerksam und ernst zu, wobei sich ihre runde Stirn nachdenklich in Falten legte. Sie konnte nicht an eine böse Absicht des jungen Mannes glauben, der sie in so großherziger Absicht aufgesucht hatte, und tat es auch nicht, übersah aber ebensowenig die Gründe, die andere zu Zweifeln veranlaßt haben konnten. Am Ende holte sie langsam und tief Luft und biß sich einen Moment lang nachdenklich auf die Lippe.
»Haltet Ihr ihn für schuldig?« fragte sie dann rundheraus.
»Ich glaube, er weiß etwas, was er uns nicht verraten will. Mehr als das werde ich nicht sagen. Alles hängt davon ab, ob er uns über den Ring die Wahrheit gesagt hat.«
»Aber Bruder Ruald glaubt ihm?« fragte sie.
»Ohne Frage.«
»Und er kennt ihn, seit er ein kleines Kind war.«
»Und ist deswegen vielleicht parteiisch«, warf Cadfael lächelnd ein. »Aber ja, er kennt den Jungen weit besser als Ihr oder ich und erwartet offensichtlich nicht weniger als die Wahrheit von ihm.«
»Ich ebenfalls. Aber eins bereitet mir Kopfzerbrechen«, sagte Pernel mit großem Ernst. »Ihr sagt, Eurer Ansicht nach habe er schon vor seinem Besuch zu Hause von dieser Sache gewußt, obwohl er sagte, er habe erst dort davon erfahren. Wenn Ihr recht habt und er es von Bruder Jerome erfuhr, bevor er um die Erlaubnis bat, Longner zu besuchen, warum hat er dann nicht gleich den Ring gezeigt und erzählt, was er zu sagen hatte? Warum bis zum nächsten Tag damit warten? Ob er den Ring nun so erhalten hat, wie er sagte, oder ihn schon längst in seinem Besitz hatte, hätte er Bruder Ruald doch eine weitere unglückliche Nacht ersparen können. Er scheint eine so mitfühlende Seele zu
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