Das Geheimnis Der Schönen Toten
und Entschlossenheit auf die Sprünge zu helfen. Und ich glaube tatsächlich, daß diese Frau ihr ergeben ist und sie auch, wenn es nötig sein sollte, mit Zähnen und Klauen verteidigen wird.
Er bekam sie kurz wieder zu sehen, als er mit den Brüdern in die Kirche eintrat und zu seinem Platz im Chorraum vorging. Das Hauptschiff war mit Gläubigen gut gefüllt; einige standen neben dem Gemeindealtar, von wo aus sie zu dem dahinterliegenden Hochaltar hinübersehen konnten.
Einige gruppierten sich um die massiven runden Säulen, die das Gewölbe trugen. Pernel kniete dort nieder, wo das Licht von dem erleuchteten Chorraum her zufällig auf ihr Gesicht fiel. Sie hielt die Augen geschlossen, aber ihre Lippen blieben unbewegt. Ihre Gebete blieben stumm. Sie wirkte sehr ernst und für die Kirche angemessen streng gekleidet; ihr weiches braunes Haar war unter einer weißen Guimpe verborgen, über die sie die Kapuze ihres Umhangs gezogen hatte, denn in der Kirche war es nicht allzu warm.
Sie sah aus wie eine sehr junge Novizin; ihr rundes Gesicht wirkte kindlicher als je zuvor, aber ihr Mund verriet Reife und eine nicht zu unterschätzende Festigkeit. Dicht hinter ihr kniete Gunnild, und obwohl ihre Augen von langen Augenwimpern halb verborgen wurden, blickten sie offen und strahlend und sehr besitzergreifend auf ihre Herrin.
Wehe jedem, der den Versuch machte, Pernel Otmere zu nahe zu treten, wenn ihre Zofe in der Nähe war!
Nach der Messe hielt Cadfael wieder nach ihnen Ausschau, doch sie waren in der Menschenmenge verborgen, die sich langsam zum Westportal drängte, um die Kirche zu verlassen. Er verließ das Gotteshaus durch das Südportal, betrat das Kloster und tauchte von dort aus auf dem Hof auf, wo er sie still wartend vorfand. Sie wartete darauf, daß die Prozession der Brüder sich auflöste, damit jeder seinen Pflichten zustreben konnte. Es überraschte ihn nicht, als ihr Gesicht sich bei seinem Anblick straffte und ihre Augen aufleuchteten. Sie ging einen einzigen Schritt auf ihn zu, genug, um ihn stehenbleiben zu lassen.
»Bruder, darf ich Euch sprechen? Ich habe den Herrn Abt um Erlaubnis gebeten.« Sie hörte sich praktisch und resolut an, hatte aber, wie es schien, auch nicht die kleinste Unbesonnenheit riskiert. »Ich habe mich erkühnt, gerade eben, als er ging, an ihn heranzutreten«, sagte sie. »Wie es scheint, kennt er schon meinen Namen und meine Familie. Ich nehme an, die kann er nur von Euch erfahren haben.«
»Vater Abt ist in allem«, sagte Cadfael, »über das unterrichtet, was mich dazu gebracht, Euch zu besuchen. Ihm ist es ebensosehr um Gerechtigkeit zu tun wie uns. Gerechtigkeit für die Toten und die Lebenden. Er wird sich keinem Gespräch in den Weg stellen, das diesem Ziel dient.«
»Er war freundlich«, sagte sie und zeigte plötzlich ein warmes Lächeln. »Und jetzt, wo wir alle schicklichen Formen gewahrt haben, kann ich wieder frei atmen. Wo können wir uns unterhalten?«
Er brachte sie zu seiner Werkstatt im Kräutergarten. Es wurde allmählich zu kühl, sich längere Zeit im Freien zu unterhalten. Unter seiner Kohlepfanne brannte zwar ein Feuer, aber es war abgedämpft, und da die Holztüren weit offen standen und Bruder Winfred wieder hinausging, um das letzte Stück Boden an der Umfassungsmauer noch vor dem Winter umzugraben, und Gunnild in achtungsvollem Abstand in der Werkstatt stand, hätte nicht einmal Prior Robert wegen mangelnden Anstands dieser kleinen Konferenz die Augenbrauen heben können. Pernel hatte klug daran getan, sich direkt an den Superior zu wenden, der schon von der Rolle wußte, die sie gespielt hatte, und gewiß keinerlei Grund fand, dieses Gespräch zu mißbilligen.
Hatte sie sich nicht bemüht, einen Leib und eine Seele zu retten? Und nun war sie selber gekommen, um ihn einen Blick in ihre eigene Seele tun zu lassen.
»Doch jetzt«, sagte Cadfael und rüttelte die Kohlepfanne ein wenig, bis sich unter den dämpfenden Torfstücken ein rotes Glitzern zeigte, »setzt Euch und fühlt Euch beide wie zu Hause. Und sagt mir, was Ihr vorhabt und was Euch zum Gottesdienst herführt, obwohl Ihr doch, wie ich weiß, eine eigene Kirche und einen eigenen Priester besitzt. Ich weiß es, denn sie gehört wie Upton zu diesem Haus von Saint Peter und Saint Paul. Und Euer Priester ist ein selten begabter Mann und Gelehrter, wie ich von Bruder Anselm weiß, der sein Freund ist.«
»Das ist er«, erwiderte Pernel mit Wärme, »und Ihr dürft nicht denken, ich hätte
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