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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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worden ist.«
    »Und wir können nichts tun, um es zu beschleunigen«, sagte Pernel und ließ einen resignierten Seufzer hören.
    »Im Augenblick können wir nur warten.«
    »Und beten, vielleicht?« erwiderte sie.
    Gleichwohl konnte Cadfael nichts anderes tun, als sich zu fragen, was sie als nächstes unternehmen würde, denn Untätigkeit mußte für sie jetzt, wo sie sich mit ihrer ganzen Energie für diesen jungen Mann einsetzte, den sie nur einmal zu Gesicht bekommen hatte, unerträglich quälend sein.
    Ob Sulien ihr ebenso große Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war unmöglich zu wissen, aber Cadfael hatte den bestimmten Eindruck gewonnen, daß er es früher oder später würde tun müssen, denn sie hatte nicht die Absicht, sich von ihm abzuwenden. Ebenso hatte Cadfael das Gefühl, daß es der Junge wesentlich schlimmer hätte treffen können. Das heißt, wenn es ihm gelang, mit heiler Haut und einem guten Gewissen aus diesem Gewebe von Ungewißheit und Täuschung herauszukommen, doch davon konnte im Augenblick nicht im mindesten die Rede sein.
    Aus Cambridge und den Fens gab es keinerlei Neuigkeiten. Doch bis jetzt hatte auch niemand welche erwartet.
    Reisende aus dem Osten berichteten allerdings, das Wetter verschlechtere sich zusehends, es gebe schwere Regenfälle und die ersten Winterfröste. Keine sehr reizvolle Aussicht für eine Armee, die in einer sumpfigen Gegend herumirrte, die ihr unvertraut, dem flüchtigen Feind jedoch bestens bekannt war. Cadfael rief sich sein Versprechen ins Gedächtnis zurück, das er seinem jetzt seit mehr als einer Woche abwesenden Freund gegeben hatte, und bat um die Erlaubnis, in die Stadt zu gehen und Aline und sein Patenkind zu besuchen. Der Himmel war bewölkt, und das Wetter aus dem Osten rückte nach und nach an Shrewsbury heran, zunächst mit einem feinen Nieselregen, der kaum mehr war als Nebel, der sich im Haar und in den Fasern der Kleidung festsetzte und die schiefergraue Erde des Foregate kaum dunkler werden ließ. Auf dem Töpferacker war die Wintersaat schon in der Erde, und auf dem unteren Landstreifen, der Weide, würde Vieh grasen. Cadfael hatte sich nicht wieder dorthin begeben, um es sich mit eigenen Augen anzusehen, doch er sah es sehr deutlich vor sich, dunkle, fruchtbare Erde, die schon bald neues Leben hervorbringen würde; grünes, feuchtes Gras und verfilztes Brombeergestrüpp unterhalb des mit Büschen und Bäumen bestandenen Hügelkamms. Daß sich dort einmal ein ungeweihtes Grab befunden hatte, würde bald vergessen sein. Der graue, dunstige Tag war für eine melancholische Stimmung wie geschaffen.
    Es war für Cadfael Vergnügen und Erleichterung zugleich, beim Tor von Hughs Hof abzubiegen und von einem kleinen, lärmenden Jungen an den Schenkeln umarmt zu werden, der ihn entzückt und laut schreiend begrüßte. In etwa einem Monat würde Giles vier Jahre alt sein. Er packte Cadfaels Habit mit seiner kleinen Faust und zerrte ihn fröhlich ins Haus. Da Hugh abwesend war, war Giles der Herr des Hauses und sich all seiner Pflichten und Vorrechte sehr wohl bewußt. Er forderte Cadfael mit feierlicher Würde auf, frei über die Annehmlichkeiten seines Heims zu verfügen, bot ihm formvollendet einen Platz an und rannte selbst zur Speisekammer, um einen Humpen voll Bier zu holen, den er mit seinen noch rundlichen Kinderhänden vorsichtig zurückbrachte; der Humpen war übervoll, und das Bier drohte jeden Moment überzuschwappen. Das weizenblonde Haar des Jungen stand ihm in wirren Strähnen vom Kopf ab, und als er das Bier balancierte, erschien in einem Mundwinkel seine kleine Zungenspitze. Seine Mutter folgte ihm in diskreter Entfernung in die Halle, da sie weder sein Gleichgewicht noch seine Würde in Gefahr bringen wollte. Sie lächelte Cadfael über den blonden Kopf ihres Sohnes hinweg an, und urplötzlich strahlte Cadfael die Ähnlichkeit der beiden entgegen, als würde die Sonne unvermutet durch Wolken brechen. Das runde, ernste Gesicht mit den vollen, noch kindlichen Wangen, und das reine Oval mit der breiten Stirn und dem schmal zulaufenden Kinn, das so anders und doch so ähnlich war, hatten die bleiche, leuchtende Färbung und die samtglatte Haut gemeinsam, ebenso die feinen Gesichtszüge und den festen Blick. Hugh ist wirklich ein glücklicher Mann, dachte Cadfael und schickte ein abergläubisches Stoßgebet zum Himmel, dieses Glück möge ihm erhalten bleiben, wo immer er in diesem Augenblick war.
    Falls Aline irgendwelche Befürchtungen

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