Das Geheimnis Der Schönen Toten
bevorzugten religiösen Haus gegenüber wohltätig zeigte und mit Äbten auf vertrautem Fuß verkehrte. Er war um die Fünfzig, eine hagere, agile, aufrechte Gestalt in einem Gewand mit reichem Pelzbesatz. Lebhafte dunkle Augen in einem schmalen, energischen Gesicht waren weitere Details, die Hugh mit einem schnellen Blick erfaßte.
»Ich bin John Hinde. Wie kann ich Euch helfen?« Hughs Kleidung und seinem Harnisch waren die Spuren ermüdenden Wartens in feuchten, winddurchtosten Hinterhalten sowie gelegentliche Gewaltritte in offenem Gelände deutlieh anzusehen. »Ihr kommt vom Aufgebot des Königs?
Wie wir hören, zieht er seine Streitmacht zurück. Ich hoffe, er überläßt de Mandeville nicht einfach das Feld?«
»Keine Rede davon«, versicherte ihm Hugh, »obwohl ich zurückgeschickt worden bin, damit ich mich um eigene Angelegenheiten kümmern kann. Nein, auch wenn wir abziehen, wird Euch keine größere Gefahr drohen, denn zwischen Euch und der Gefahr stehen die Flamen. Sie verfugen über mindestens eine strategisch gut gelegene Festung, um sie auf ihrer Insel eingepfercht zu halten. Jetzt, wo der Winter vor der Tür steht, könnte er kaum mehr oder Besseres unternehmen.«
»Nun, wir leben wie Kerzen im Atem Gottes«, sagte der Silberschmied philosophisch, »wo immer wir uns befinden. Ich weiß das schon zu lange, um mich leicht einschüchtern zu lassen. Und was kann ich für Euch tun, Sir, bevor Ihr nach Hause reitet?«
»Erinnert Ihr Euch«, fragte Hugh, »an einen jungen Mönch, der um den ersten oder zweiten Oktober herum bei Euch übernachtet hat? Es war kurz nach der Plünderung Ramseys. Der Junge kam von dort und war Euch, wie er sagte, von seinem Abt anempfohlen. Abt Walter schickte ihn nach Hause, zu dem Bruderhaus in Shrewsbury, um die Nachricht vom Fall Ramseys zu überbringen. Erinnert Ihr Euch an den Mann?«
»Sehr genau«, erwiderte John Hinde ohne jedes Zögern.
»Er stand kurz vor dem Ende seines Noviziats. Die Brüder zerstreuten sich in alle Winde, um sich in Sicherheit zu bringen. Diese Zeit dürfte niemand von uns so leicht vergessen. Ich hätte dem Jungen für die ersten paar Meilen gern ein Pferd geliehen, doch er sagte, er werde zu Fuß besser durchkommen, denn die Feinde schwärmten in der ganzen Umgegend wie die Bienen. Was ist aus ihm geworden? Ich hoffe, er ist sicher in Shrewsbury angekommen?«
»Das ist er, und er hat auch überall dort, wo er durchkam, die Neuigkeit weitergegeben. Ja, es geht ihm gut, obwohl er inzwischen den Orden verlassen hat und in das Gutshaus seines Bruders zurückgekehrt ist.«
»Er erzählte mir damals, er zweifle, ob er den richtigen Weg gewählt habe«, bestätigte der Silberschmied. »Walter ist nicht der Mann, der einen Jüngling gegen dessen Neigung bei sich behält. Kann ich Euch, was diesen jungen Mann betrifft, noch etwas sagen?«
»Ist ihm«, fragte Hugh mit Betonung, »in Eurer Werkstatt ein bestimmter Ring aufgefallen? Und hat er etwas über diesen Ring gesagt und nach der Frau gefragt, von der Ihr ihn etwa zehn Tage vorher gekauft hattet? Es ist ein schlichter silberner Ring mit einem kleinen gelben Stein, in den Initialen eingraviert sind. Und hat er Euch um diesen Ring gebeten, weil er die Frau seit seiner Kindheit kannte und ihr seitdem große Zuneigung entgegenbrachte? Entspricht etwas davon den Tatsachen?«
Es folgte ein langes Schweigen, während der Silberschmied ihm Auge in Auge gegenüberstand und ihn mit einem intelligenten Blick, der seine hageren Gesichtszüge noch schärfer hervortreten ließ, prüfend musterte. Es ist denkbar, daß er sich überlegte, ob er dem Fremden noch weitere Dinge anvertrauen sollte, da er nicht wußte, welche Folgen seine Antworten für einen jungen Mann haben konnten, der vielleicht unschuldig in ein Mißgeschick geraten war, das er nicht herbeigeführt hatte. Geschäftsleute haben gelernt, daß man Fremden nicht zu schnell allzuviel anvertrauen darf. Sollte es jedoch so gewesen sein, verwarf er aber den Impuls, alles zu leugnen, nachdem er Hugh aufmerksam gemustert hatte und, wie es schien, zu einem Urteil gekommen war.
»Kommt herein!« sagte er dann mit der gleichen Bedachtsamkeit und gleicher Festigkeit. Er wandte sich der Tür zu, aus der er gekommen war, und forderte Hugh mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. »Kommt! Laßt mich mehr hören. Da wir nun schon so weit gegangen sind, können wir auch gemeinsam damit fortfahren.«
11. Kapitel
Süllen hatte zwar den Habit abgelegt,
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