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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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verspannten Nacken und ging zum Farmhaus, wo sie einen Topf Spaghettisauce kochte, sie warm stellte und dann nach oben zum Duschen ging.
    Als sie wieder unten war und sich gerade ein Glas Wein einschenkte, klopfte es an der Tür.
    Er kam genau pünktlich.
    Sie wappnete sich und öffnete. »Hallo, Dallas.«
    Sie wartete, dass er etwas sagte, doch er stand einfach nur da und starrte sie an. Zum ersten Mal erlaubte auch sie sich, ihn anzusehen, und sie bemerkte eine gezackte, fast unsichtbare Narbe an seinem Haaransatz, die von der Schläfe bis zum Ohr reichte. Sie war krumm und schief, als hätte eine betrunkene Schneiderin sie mit Nadel und Faden zusammengeheftet. Unwillkürlich fragte sie sich, wie er sich verletzt hatte. Ohne nachzudenken, fuhr sie die Narbe mit ihrem Finger nach. Sie wollte ihn schon fragen, woher er sie hatte, doch bevor sie den Mund öffnen konnte, sagte er leise: »Sei vorsichtig, Vivi Ann. Ich könnte dich auch anfassen.«
    Sie riss ihre Hand zurück.
    »Bist du sicher, dass du aufhören willst?«, fragte er. Lachen lag in seiner Stimme, und noch etwas, ein wissender Unterton, der sie ärgerte.
    Sie wandte sich ab, ging zur Küche und sagte: »Im Ofen steht Spaghettisauce, und die Nudeln sind im Sieb in der Spüle. Bedien dich.«
    Sie wusste, dass er dastand und ihr nachsah, daher ging sie zum Telefon und rief Luke an, der sich fast sofort meldete.
    »Gott sei Dank, Vivi. Ich bin langsam verrückt geworden beim Warten auf deinen Anruf. Ich dachte … vielleicht …«
    »Kein Grund zur Sorge«, erwiderte sie, etwas zu scharf. »Wollen wir was trinken gehen? Ich muss hier unbedingt mal raus.«
    »Sehr gerne«, antwortete er. »Ich hol dich um acht ab. Und Vivi? Ich liebe dich.«
    Sie wusste, was sie jetzt sagen sollte, was er hören wollte, aber sie brachte es nicht über sich. Stattdessen flüsterte sie: »Beeil dich, Luke«, und legte auf.
    Langsam drehte sie sich um. Als sie Dallas wieder ins Gesicht blickte, bemerkte sie, wie er lächelte.
    »Gute Idee, Vivi Ann. Lauf schnell weg, zu deinem tollen Freund. Er sieht aus wie ein braves Hündchen, das gern an der Leine läuft. Prüf mal, ob er dir gewachsen ist.«
    »Was soll das heißen? Natürlich ist er das.«
    Aber schon als sie das aussprach, wusste sie, dass es gelogen war.
    Und Dallas wusste es auch.
    Es war ruhig im Outlaw an diesem Wochentag. Ein paar heruntergekommen wirkende Stammgäste saßen auf ihren Barhockern und klammerten sich an ihre Drinks. Die meisten rauchten. Im hinteren Teil spielten zwei ältere Frauen mit langen, gebleichten Haaren Billard. An der Tür zu den Toiletten standen ein paar Indianer und tranken Bier. Aus der Musikbox dröhnte ein alter Elvis-Song.
    Vivi Ann ließ sich von Luke zu einem der kleinen, lackierten Holztische links von der Bar führen.
    »Margarita?«, fragte er.
    Sie nickte abwesend. »Mit Eis, ohne Salz.«
    Als er zur Bar ging, seufzte sie auf und versuchte, sich auf die Musik zu konzentrieren, doch hatte sie immer noch Dallas’ Stimme im Ohr. Wie ein Echo hallten seine Worte in ihrem Kopf wider. Ein lautes, sich überlappendes Echo.
    Sei vorsichtig, Vivi Ann …
    Ich könnte dich auch anfassen.
    Plötzlich stand er in der Outlaw Tavern, als hätten ihre Gedanken ihn heraufbeschworen. Quer durch die verrauchte Bar trafen sich ihre Blicke. Ihr stockte der Atem.
    Dann war Luke zurück, schob sich in ihr Blickfeld und verdeckte Dallas.
    »Hier, bitte«, sagte er und stellte eine blassgrüne Margarita auf den Tisch. »Sieh mal, wen ich am Billardtisch entdeckt habe.«
    Winona erschien neben ihm. »Hallo, Vivi Ann.«
    In Winonas Stimme lag ein bedenkenswert säuerlicher Unterton, aber das kümmerte Vivi Ann nicht. Offen gestanden hatte sich Winona in letzter Zeit ziemlich mies verhalten, und Vivi Ann hatte einfach keine Lust mehr, darüber nachzudenken, was sie ihrer Schwester getan hatte. Sie dachte ohnehin nur noch an Dallas.
    Jetzt lehnte sie sich zur Seite, um zur Tür zu blicken, aber da war er nicht mehr.
    Sie überblickte kurz die Bar, aber er war wieder gegangen.
    Sie stand auf. »Ich brauche was aus meiner Brieftasche. Aber die hab ich im Wagen gelassen. Ich bin gleich wieder da.«
    »Ich kann sie doch für dich holen.«
    »Nein, nein. Unterhalte du dich mit Winona. Ich weiß doch, wie gut ihr euch versteht.« Sie tätschelte Luke die Schulter, als wäre er ein braves Hündchen.
    »Ich brauche nur eine Minute.« Sie mied Winonas Blick, die sie finster anstarrte.
    »Ist gut«, sagte Luke.

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