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Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Ätherflasche weg, verschloß sie und drückte zur Kontrolle, vorsichtig auf Evelyns Unterbauch. Kein Laut, keine Reaktion. Ein widerlicher süßlicher Geruch füllte die Höhle aus. Sempa blickte Phil aus seltsam flimmernden Augen an.
    »Genug?« fragte er mit schwerer Zunge.
    »Du bist und bleibst ein Rindvieh! Ich bin auch schon halb betäubt …«
    »Dann nimm die Schnauze zurück!« schrie Phil unbeherrscht.
    Sempa wackelte mit dem Kopf und tat das gleiche, was Phil eben versucht hatte: Er drückte auf Evelyns Bauch. Da seine Hand unsanfter war, reagierten die Nerven mit leichten Zuckungen, aber Eve gab keinen Laut mehr von sich. Phil boxte Sempas Hand zur Seite und hieb ihm mit aller Kraft zwischen die Schulterblätter.
    »Du schlägst ihr ja den Blinddarm auf!« brüllte er.
    »Sie ist weg! – Moment!« Sempa stützte sich mühsam am Bett ab und richtete sich auf. »Einen Augenblick, Knäblein! Ich bin nicht mehr voll da …«
    Er tappte vor die Höhle, holte mit ausgebreiteten Armen ein paarmal tief Luft und kam dann sichtlich erfrischt zurück.
    »Das tut gut!« sagte er ruhig. »Jetzt müßte ich dich eigentlich an die Felswand pappen, aber ich brauche dich noch! Ekelhaft, wie süßlich das stinkt!« Er starrte auf die Instrumente und nickte. »Also jetzt geht's los! Wer operiert?«
    »Ich! Du assistierst.«
    »Weil du Lateinisch kannst und ein Humanist bist, was?«
    Phil kniete neben dem Bett und legte den Zeigefinger auf Evelyns Bauch. Hier muß es sein, dachte er. Hier schneide ich. Hier muß ich hinein.
    »Skalpell!« sagte er und streckte die Hand aus.
    Sempa drückte es ihm in die Finger und kniete sich neben ihn. »Okay, du machst es!« sagte er. »Ich übernehme die Klemmen und alles andere. Brauchst du auch einen kleinen Spreizer? Zum Satan, glotz nicht so blöd. Ich bin vielleicht kein so gebildeter Affe wie du, der statt Arsch vornehm Anus sagt, – aber ich weiß, was ich mit meinen Händen machen kann! Und Mut habe ich auch! Du warst nicht in Vietnam.«
    Der erste Hautschnitt. Das erste Blut. Evelyns Blut. Phil biß die Zähne zusammen. Sempa gebrauchte, als habe er nie etwas anderes getan, die Tupfer und hielt die ersten Klemmen bereit.
    Das Spezialistenteam für eine Appendektomie an der Mayo-Klinik in Rochester/USA rühmt sich, für eine Blinddarmentfernung zwischen sechs und – höchstens – zehn Minuten zu brauchen. Dann ist das unnütze Würmchen heraus. Später erinnert nur noch eine kleine weißliche Narbe an diesen Eingriff, die praktisch im Fließbandverfahren vorgenommen wird. Vor fünfzig Jahren war ein vereiterter oder gar durchgebrochener Blinddarm fast immer tödlich. Heute lange über eine Appendektomie zu sprechen, ist geradezu lächerlich.
    Sempa und Phil Hassler brauchten keine zehn Minuten für diese Operation. Sie dauerte über eine halbe Stunde.
    Nach dem ersten tieferen Schnitt blutete die Wunde sehr stark, sie war viel zu groß und klaffte auseinander. Sempa tupfte mit Claudenwatte, was wenig Sinn hatte, aber sie verschaffte ihm für ein paar Augenblicke ein übersichtliches Operationsfeld. Schnell klemmte er an vier Stellen ab, irgendwo dort, wo das Blut her kam, auf gut Glück … Und siehe da, der Blutstrom ließ nach.
    »Gut, Ari!« sagte Phil heiser.
    »Vietnam!« Sempa grunzte zufrieden. »Wenn du Rindvieh keine große Ader durchschnitten hast …«
    »Hier gibt es keine großen Gefäße.«
    »Adern!«
    »Der Mediziner sagt Gefäße dazu.«
    »Es ist zum Kotzen! Entwickeln, Etagennaht, Gefäße … Fotografie, Bau und Töpferei – aber nichts von Medizin! Man sollte den Ärzten endlich beibringen, sich vernünftig auszudrücken!«
    Wie war das? überlegte Hassler. Im Zickzackschnitt, wechselnd in der Faserrichtung, die einzelnen Muskeln durchtrennen? Er starrte in die klaffende Wunde und wußte nicht mehr weiter. Sempa rempelte ihn mit dem Ellenbogen an.
    »Wenn du kotzen mußt, bitte draußen!«
    »Paß auf – ich gehe in die Tiefe!«
    Vergiß alles, dachte Phil. Denk nur an eins: Du mußt Evelyn retten. Du mußt an den entzündeten Blinddarm heran. Du mußt ihn abschneiden. Wie du ihn herausholst – das ist gleichgültig.
    Es war ein unsagbares Gefühl des Triumphes, als Hassler nach Eröffnung des Peritoneums – also des Bauchfells – die Unterbauchhöhle frei vor sich liegen sah und darin, ganz deutlich, den entzündeten Blinddarm erkannte: wie ein dicker, aufgequollener, rötlichgelb glänzender Wurm ließ er sich mit der Flachpinzette leicht

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