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Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit der anderen Hälfte abdampfen!«
    Phil sah ihn aus müden Augen an. Dann schüttelte er ganz langsam den Kopf.
    »Nein.«
    Dieses Nein war wie eine Bombe, die direkt vor Sempas Füßen explodierte. Von einem Augenblick zum anderen veränderte er sich, als sei in seinem Gehirn ein Schalter abgedreht worden, so daß ab sofort eine andere Automatik den Menschen Sempa zu leiten begann.
    »Der sture Deutsche mit dem Monokel!« sagte Sempa bitter. »Verflucht noch mal – man kann ja gar nicht anders, als euch zu hassen!«
    Er beugte sich zu Phil hinunter, hieb ihm blitzschnell die Faust unter das Kinn und fing den ohnmächtig vom Schemel Fallenden auf.
    »Sorry, Phil!« sagte Sempa mit völlig veränderter Stimme. »Aber man muß die Stunde nutzen. Gegen Eve hätte ich nie etwas ausgerichtet. Aber du, mein Junge, du wirst mich nicht mehr hindern, ein reicher Mann zu sein und meine letzten Jahre fröhlich im Schaukelstuhl zu verbringen!«

6
    Für einen Mann seines geringen Intelligenzgrades handelte Sempa erstaunlich logisch: Er träufelte Evelyn noch ein bißchen Äther auf die Maske, die er kurz über ihr Gesicht hielt, dann wuchtete er sich Phil über die Schulter und lief, so schnell es die Last zuließ, ins Innere der Insel zu einer der Höhlen im Kraterrand. Dort band er Phil Hände und Füße zusammen, stellte eine goldene Inkaschüssel mit Wasser so dicht neben ihn, daß er sie auch mit den zusammengebundenen Händen erreichen konnte, und lief zur Wohnhöhle zurück.
    Evelyn Ball lag noch in Narkose, aber die Wirkung des Äthers ließ rapide nach. Sie stöhnte leise und wurde unruhig. Sempa betrachtete die fertig aufgezogene Spritze, die Phil Eve geben wollte, wenn sie erwachte, und entschloß sich, sie schon jetzt zu injizieren. Er stieß ihr die Nadel in den Oberschenkel, drückte die helle Flüssigkeit in den Muskel und dachte dabei an Vietnam und Hue. Damals haben wir es genauso gemacht. Immer hinein mit der Nadel ins dicke Fleisch. Hintern her, Kumpel, jetzt kommt die Seligkeit – das war ein geflügeltes Wort gewesen. Den meisten hatte es gutgetan, aber einige schrien unentwegt weiter. Ihnen konnte nur Morphium helfen.
    Sempa legte die Spritze zur Seite, deckte Evelyn mit drei dicken Wolldecken zu und begann, die Höhle zu untersuchen. Aus allen Gewehren und Handfeuerwaffen entfernte er die Munition. Er überlegte, ob er auch die beiden langen Fleischmesser, das Beil und die Axt beiseite schaffen sollte. Ihr ist alles zuzutrauen, sobald sie wieder laufen kann, dachte er, während er beobachtete, wie sie langsam aus der Narkose zurückkehrte. Aber um mit der Axt auf mich loszugehen, braucht man Körperkraft – und da bin ich jedem überlegen! Er entschloß sich also, nur die Munition sicherzustellen. Dann setzte er sich auf den Holzschemel neben dem Bett, langte zum Herd hinüber, wo noch eine halbe Flasche Rotwein stand, und soff sie in einem Zug leer.
    Jetzt überfiel auch ihn die Erschöpfung. Vor allem hatte er Hunger. Natürlich, das Frühstück war ja ausgefallen! Statt Eiern mit Schinken gab es vereiterten Blinddarm …
    Breitbeinig saß Sempa auf dem Hocker, betrachtete seine ›Patientin‹, und ein eiskalter Schauer überlief ihn. Zurückschauend begriff er beim besten Willen nicht, daß es ihm, den jeder einen Idioten nannte, gelungen war, einen vereiterten Blinddarm herauszunehmen, ohne daß der Operierte dabei zugrundegegangen war.
    Etwas Merkwürdiges war in dieser halben Stunde geschehen, das Sempa sich nicht erklären konnte: In den Augenblicken, in denen es ums Überleben ging, war plötzlich wieder alles gegenwärtig gewesen, was er in Vietnam gelernt und erlebt hatte: seine unfreiwillige Ausbildung zum Hilfssanitäter – dann dieser verdammte Feuerüberfall des Vietkong, als sie dem Marineinfanterie-Gefreiten Aristoteles Sempa plötzlich noch nie gesehene chirurgische Instrumente in die Hand drückten, und der Stabsarzt, in einem Kittel, der von oben bis unten mit Blut beschmiert war, ihn anfauchte: »Nun mach schon, Boy! Guck ein paarmal zu, dann geht's …!« – Das alles war, vom medizinischen Standpunkt gesehen, ein unglaublicher Leichtsinn gewesen. Aber irgendwie klappte es dann doch; ganz dämlich konnte er sich nicht angestellt haben, denn in den folgenden Monaten stand er immer wieder neben dem Stabsarzt am OP-Tisch und assistierte zu seiner vollsten Zufriedenheit. Die alte Weisheit bewahrheitete sich wieder, daß handwerkliches Können manchmal mehr wert ist als noch so

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