Das Geheimnis der sieben Palmen
beiden Armen: ein riesenhafter, breit grinsender Kegeljunge, der jeder Figur, nachdem er sie aufgerichtet hatte, liebevoll, ja geradezu kosend über den Kopf strich. Es waren herrliche Statuen der altinkaischen Regen- und Fruchtbarkeitsgötter.
In der Mitte seiner neun Goldkegel aber hatte Sempa sein Prunkstück gestellt: die Nachbildung eines Inkakönigs mit all seinem Schmuck, seinem Federmantel und seiner riesigen, aus Goldstangen und Federn, Edelsteinen und Schnitzereien gestalteten Krone. Was in Wirklichkeit menschengroß und buntschillernd gewesen war, hatten die Goldschmiede der Inkas, etwa einen Meter hoch, in purem Gold nachgegossen.
»Spiel mit!« flüsterte Evelyn hinter Phil. »Beruhige ihn! Er ist ein gutmütiger Saurier, aber wenn in seinem Gehirn eine Bremse reißt – und das kommt ab und zu vor, ich habe es ein paarmal erlebt –, dann walzt er alles nieder, was ihm im Wege steht.«
»Und mit so etwas müssen wir bis ans Ende unserer Tage zusammenleben?«
»Wirf, Phil!« brüllte Sempa. »Ich stifte einen goldenen, mit Rubinen besetzten Becher. Gewinnen Sie, haben Sie was einzusetzen – verlieren Sie, wächst Ihr Schuldenkonto. Na los!«
»Ich warne Sie, Ari!« rief Phil zurück. »Ich bin ein guter Kegler.«
»Was können Sie eigentlich nicht gut, he? Sie schießen gut, Sie segeln gut, Sie können Motoryachten bedienen, Sie kegeln, spielen Tennis, sicherlich auch Golf, haben einmal Millionen verdient, funken und morsen, können reiten und Weiber wie Evelyn fertigmachen. Sie sind ja ein Teufelskerl, haha!«
Phil Hassler zwang sich, auf diesen Ton nicht mehr einzugehen, zumal er sah, daß Ari unmißverständliche Blicke zu Evelyn hinüberwarf und sich spreizte wie ein balzender Pfau. Phil wog noch einmal die massive goldene Kugel in der Hand, zielte und ließ sie dann mit einem Schwung abrollen. Wie auf einer Kegelbahn blieb er nach vorn gebeugt stehen, das linke Bein in der Luft, den Kopf vorgestreckt, eine groteske Haltung.
Die Goldkugel hüpfte ein paarmal über den unebenen Steinboden, behielt, sehr zur Verblüffung von Phil, die Richtung und krachte voll in die Kegelaufstellung. Die blitzenden Götterfiguren fielen auseinander, mit einem Lärm, der fast wie ein Aufschrei klang.
Sempa schüttelte die gewaltigen Fäuste. »Alle Neun!« brüllte er. Dann machte er einen Luftsprung und fuhr sich mit beiden Händen über die Kopfhaut. »Fabelhaft! Der Becher gehört Ihnen, Phil! Warten Sie, ich hole andere Preise! Ich glaube, das wird ein knallhartes Match! Ich sage Ihnen: Augen werden Sie machen! Das sind die phantastischsten Kegelpreise, die je vergeben worden sind! Adler und Kondore aus Gold, mit Augen aus Rubinen und Smaragden! Ganze Tiergruppen, aus glitzerndem Bergkristall geschnitzt! Masken aus Obsidian, mit Blattgold und geschliffenen Edelsteinen besetzt! Der Atem wird Ihnen stocken! Ich gestehe Ihnen: Als ich zum erstenmal da unten, in dieser senkrechten Höhle, auf dem Grund der Felsenhalle, diesen Schatz sah … ich hätte mir vor Ergriffenheit fast in die Hose gemacht. So etwas hat noch kein Mensch von heute gesehen. Selbst dieser ägyptische Pharao mit seinem berühmten Grab – wie hieß der Knabe bloß?«
»Tut-ench-Amun«, sagte Phil, um Ari bei Stimmung zu halten.
»Stimmt, Mann! Sie haben ein Wissen wie ein Lexikon! Also, dieser ägyptische Knabe war ein armer Eckensteher gegen diese Könige hier! Welch eine Kultur … Und das alles mit den primitiven Werkzeugen, die sie damals hatten!« Er schnaufte wieder ausgiebig, massierte seine gewaltige Brust wie ein nachdenklicher Berggorilla und blickte Hassler fassungslos an. »Und so etwas wollen Sie auf dieser mistigen Insel einfach verschimmeln lassen? Für alle Zeiten?!«
»Ja!«
»Um Himmels willen reiz ihn jetzt nicht!« flüsterte Evelyn heiser. »Wenn er rotgeränderte Augen bekommt, ist es bei ihm soweit. Ich habe es einmal erlebt, in einer Bar …«
Sempa beachtete Phil und Eve nicht weiter. Er stellte seine Götterfiguren wieder auf und spielte den Kegeljungen, aber auf seltsame Art: Er kniete vor den goldenen Statuen nieder und küßte ihre Gesichter, eins nach dem anderen.
»Phil!« rief er laut. Hassler war etwas nähergetreten, um eine Kugel zu holen. Sempa sah fasziniert zu, wie Phil die goldene Kugel auf der Handfläche hüpfen ließ. Ein Klumpen Gold, der im Strahl der Sonne tanzte. Sein Gold!
»Phil –«, setzte Sempa wieder an – »wir müssen uns über eines im klaren sein.« Er zeigte mit gespreizten
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