Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
Unsinn, mit den vier oder fünf Idioten werden wir allein fertig.“ Mina kichert leise, und Elmer hat dabei ein ungutes Gefühl. Auch als das Mädchen sich plötzlich nicht mehr sträubt und sie bereitwillig zur Tubifexstation führt, beschleicht ihn Argwohn.
Elmer überprüft noch einmal Züngler und Gasschleuder auf lockeren Sitz. Hoffentlich muß er die Waffen nicht gebrauchen. Normalerweise prügeln sich Schiffbrüchige um die Plätze in den Rettungsbooten – hier aber müssen sie mit Gewalt in die Rettung verheißenden Raumkreuzer getrieben werden.
Als sie in den dunklen Schlund des Tubifexschachtes hinabsteigen, läßt Elmer seine Helmleuchte aufflammen. Vor ihm gehen Dorean, Miranda und das Mädchen, das Miranda nicht von der Seite weicht. Die anderen sieben folgen ihnen im Gänsemarsch.
Schon von weitem ist Gemurmel zu hören. Dumpf und gespenstisch hallt es durch die engen Röhren des Liftsystems. Als sie eine Biegung passieren, stehen sie plötzlich im Lichtschein. Elmer bleibt wie angewurzelt stehen. Dutzende Augenpaare starren ihnen gleichgültig entgegen, viele der Leute beachten sie überhaupt nicht.
„Das sind ja mindestens hundert Personen!“ zischt Dorean. Die Menschen lagern auf aufgeblasenen Plastmatratzen, einige trinken aus Bechern dampfenden Tee, andere essen oder spielen Karten und schwatzen gedämpft miteinander.
Eine Frau erhebt sich und ruft freudig: „Mina! Da bist du ja! Wo hast du dich herumgetrieben? Papa und Onkel Tobias suchen dich schon den ganzen Vormittag!“
„Mama!“ Mina reißt sich los und will zu ihrer Mutter laufen. Da schaltet Dorean blitzschnell. Er springt zwischen die beiden, packt Mina mit der einen Hand und reißt mit der anderen den Züngler aus dem Halfter. „Zurück!“ herrscht er die Frau an. Sofort erheben sich fünf Männer und stellen sich drohend vor die Frau.
„Dorean, was soll das?“ Elmer ist beunruhigt. Miranda starrt Dorean fassungslos an. Währenddessen versucht Mina vergeblich, sich aus dem harten Griff zu befreien.
„Lassen Sie das Kind los, Proximer!“ verlangt einer der Männer. Er ist Mitte Fünfzig und hat Bartstoppeln auf den eingefallenen Wangen.
„Seien Sie vorsichtig, Jozzerian, sie sind bewaffnet!“ warnt ein anderer den Sprecher.
Dorean steckt die Psychopeitsche hinter den Gurt und verlangt: „Verlassen Sie sofort den Schacht, alle! Wenn Sie uns, ohne Widerstand zu leisten, folgen, gebe ich das Kind frei!“
Empörtes Zischen ist die Antwort, und Jozzerian sagt: „Pfui, schämen Sie sich nicht, sich eines kleinen Mädchens zu bedienen, um uns zu erpressen?“
Da beißt Mina plötzlich kräftig in Doreans Hand. Vor Schreck läßt er das Kind los. Schnell ist Mina entwischt. Elmer kann deutlich sehen, wie Protektor Martin ein schadenfrohes und zugleich erleichtertes Schmunzeln unterdrückt. Dann wird sie wieder ernst, tritt dicht an Elmer heran und raunt ihm zu: „Sprechen Sie zu den Leuten, Proximer Malden scheint mir gegenwärtig dazu außerstande.“ Elmer spürt die leichte Berührung ihres Oberarms an seiner Schulter und genießt Bruchteile einer Sekunde die merkwürdige Hitze, die in ihm aufsteigt.
„Gehen Sie endlich. Sie haben hier nichts verloren!“ fordert Jozzerian barsch. Elmer tritt einen Schritt vor und hebt beschwichtigend die Hände, als sich das drohende Gemurmel verstärkt. „Sie wissen, daß wir mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet sind“, beginnt Elmer. „Genausogut ist Ihnen bekannt, daß der Aufenthalt in den Tubifexschächten verboten ist.“ Im selben Moment merkt er, daß es ein miserabler Anfang ist. Jozzerian hakt auch sofort ein.
„Tubifexschächte gibt es nicht mehr, Proximer. Das sind jetzt ganz einfach unterirdische Tunnel, die zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Wir bilden für niemanden eine Gefahr, wenn wir hier unten bleiben…“
Elmer weiß nicht weiter. Da schaltet sich Dorean wieder ein. Mit erzwungener Ruhe fragt er: „Haben Sie Schutzanzüge?“
„Nein.“ Jozzerian zögert eine Weile. „Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Proximer. Aber das ist unser Risiko…“
„Wie lange reichen Ihre Vorräte?“ fragt Dorean lauernd.
„So an die fünf Wochen, wenn wir sie rationieren, entsprechend länger.“
„Und dann?“
Jozzerian funkelt ihn böse an. „Man wird uns doch nicht einfach verhungern lassen!“
„Eben! Wir werden Leute abstellen müssen, die sich um Sie und die anderen Dummköpfe hier kümmern, Leute, die anderswo viel dringender gebraucht
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