Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
am geschicktesten fragen könnte. Ihm fällt nichts Besseres ein, als das Mädchen zu übertölpeln.
„Deinem Bulu war es dort unten sicherlich zu kalt und zu dunkel, deshalb ist er ausgerissen…“
„Pah! Mama und Papa und Onkel Tobias und die anderen haben ja Lampen mitgenommen, und kalt ist es auch nicht, aber die Luft ist nicht gut, das stinkt so nach Öl und Gummi…“
Elmer sieht, wie Dorean zusammenzuckt. Dann bläst der Freund die Backen auf und pustet. Erst kapiert Elmer nicht, doch gleich darauf fällt es ihm wie Schuppen von den Augen. Das Geräusch, das Dorean imitiert – so klang es in den Schächten des Tubifexsystems, wenn eine Kabinenbahn vorbeipfiff, genau dieses Zischen und Fauchen! Miranda nickt ihm anerkennend zu, und als wolle sie Mina für Elmers kleinen Hinterhalt entschädigen, streicht sie dem Kind über das Köpfchen.
„Dann hast du Bulu sicherlich nicht richtig gefüttert, oder? Ihr konntet doch bestimmt nicht viel zum Essen und zum Trinken mitnehmen. Da wäre ich an Bulus Stelle auch davongelaufen…“ Elmers Stimme klingt honigsüß, und er schämt sich dafür. Mina tappt blindlings auch in die zweite Falle.
„So ‘n Quatsch! Papa hat gesagt, wir können da unten vier Wochen leben. Und Bulu habe ich jeden Tag dreimal Futter gegeben…, darf ich jetzt wieder gehen?“
„Wir bringen dich zu deinen Eltern, einverstanden?“
Elmer atmet tief durch. Wieder so ein paar Verrückte, die sich weigern, die Erde zu verlassen, die lieber verrecken wollen, als den Weg in eine Ungewisse Zukunft anzutreten. Das wird hart werden und kaum ohne Gewaltanwendung abgehen.
„Aber Papa ist furchtbar böse, wenn er rauskriegt…, ach nein, das darf ich ja nicht verraten!“ Mina sieht Miranda hilfesuchend an. Elmer beobachtet Dorean, der mit finsterer Miene die Fäuste aneinanderreiht und angestrengt grübelt.
„Die Kleine bleibt hier“, entscheidet er nach langem Nachdenken. „Da unten wird’s heiß hergehen, das ist nichts für Kinder. Bringen Sie das Mädchen zu Roman in den Gleiter, er soll sie bewachen.“
„Kann ich das nicht übernehmen?“ fragt Miranda besorgt.
„Roman spielt Amme, keine Diskussion! Sie kommen mit in den Tubifexschacht, Protektor Martin, das werde ich Ihnen nicht ersparen. Wenn Sie mich morgen immer noch einen Rohling nennen, gebe ich Ihnen einen dreistöckigen Ananis aus…“
Elmer muß ein Feixen unterdrücken. Dorean ist tödlich beleidigt – ein seltenes Schauspiel.
Mina hat aufmerksam zugehört und drängt sich nun schutzsuchend an Miranda. „Ich will aber nicht hierbleiben, ich will zu Mama und Papa!“ sagt sie ängstlich.
„Nichts da, du bleibst hier!“ bestimmt Dorean kategorisch. Mina beginnt leise zu weinen.
„Wo ist hier die Tubifexstation, Protektor Martin? Sie haben doch in der Nähe gewohnt?“ fragt er Miranda. „Die Tubifexstation? Hier ist ein Verkehrsknotenpunkt, an dem sich siebzehn Linien kreuzen, Proximer. Entscheiden Sie, wo wir zuerst suchen.“
„Verdammt!“ Dorean zieht wütend die Augenbrauen zusammen.
„Also gut. Das Mädchen kommt mit und führt uns.“ Er gibt den anderen Protektoren ein Zeichen, und die Männer steigen aus dem Fahrzeug.
„Das darf ich doch nicht!“ flüstert Mina. Dorean würdigt sie keines Blicks. „Dann merken Mama und Papa ja auch, daß ich heimlich weggegangen bin…“
„Dann bleibst du hier oben, Kind, ganz einfach!“ fährt Dorean das Mädchen wütend an.
Mina schluchzt mehrmals auf und scharrt nachdenklich mit der rechten Schuhspitze über den Straßenbelag. Dann funkelt sie Dorean wütend an. „Das sage ich alles Papa und Onkel Tobias, und dann…“
„Was dann?“ Dorean grinst amüsiert. „Pah!“ Mina kuschelt sich wieder schmollend in Mirandas Arme.
Elmer hat mit der kleinen Mina Mitleid. Doch die Situation ist tatsächlich kompliziert. Sie können jetzt auf die Gefühle des Mädchens keine Rücksicht nehmen, andererseits wäre es wirklich besser, das Kind nicht mit in die zu erwartenden Auseinandersetzungen einzubeziehen.
„Sollten wir nicht Verstärkung anfordern?“ fragt er Dorean.
Miranda nickt ihm aufatmend zu. „Mit zwei bis drei Dutzend Leuten schaffen wir es auch ohne die Kleine…“
„Ach Quatsch!“ Dorean wehrt unwirsch ab, „Das machen wir allein. Wo soll Quattro denn die Männer abziehen, he? Wir sind so schon zuwenig. Das wäre genauso, als wolltest du aus einem klapprigen alten Uhrwerk, das gerade noch läuft, einfach ein Rädchen herausnehmen.
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