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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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des dritten Ohres und verlor dabei den klangmusikalischen Faden. Er vernimmt von fern die Klänge des großen allgemeinmenschlichen Sprachchorals, möchte sie einfangen und wird gerade bei den entscheidenden Hebungen seiner Stimme vom dritten Ohr im Stich gelassen. Hören wir daraufhin einige Stellen aus Hebbel:
... Eine Sprache kann äußerst musikalisch und nichts destoweniger geistlos und unpoetisch sein, ihre Zeichen können dem Ohr durch Vokalfülle schmeicheln und dennoch dem Geist durch Dürftigkeit und Mischungsunfähigkeit trotzen. Darauf aber kommt es an, daß der Geist in der Sprache möglichst vollständig zur Erscheinung gelange, daß er hier an der Grenze der sich bereits verflüchtigenden materiellen Welt den letzten durchsichtigen Leib erhalte; nicht darauf, daß durch unendliches Sichten, Wägen und Messen ein Zwitter-Medium herausgebracht werde, das doch nicht Musik wird, noch bei der zwiefachen Verwendbarkeit des Tons zu werden braucht, das aber der Eitelkeit, sich der Musik um einen Schritt zu nähern, mit dem unschätzbaren Vorzug, den Geist mit jeder seiner Lebensregungen unverkürzt und unverdunkelt in sich aufzunehmen, bezahlen muß. – – –
(Überleitung zu einer vorausgesehenen, höheren Organisation der Sprache:)
... Es handelt sich hierbei nicht um die Abfindung eines unberechtigten, nicht aus dem Wesen der Sache selbst hervorgehenden, sondern nur von einer ihr fremden Sphäre aus an sie angeknüpften Gelüstes, etwa nach höherer Gemächlichkeit im äußeren Verkehr, im Handel und Wandel; es handelt sich um die Befriedigung des tief in der Natur des Geistes begründeten Bedürfnisses, in jedem Kreise, und also auch in dem der Sprache, von den niedrigeren Organismen in allmählicher Erhebung zu den höheren und zum höchsten, sie alle in sich aufnehmenden, vorzudringen. Auch soll, um zu diesem Ziel zu gelangen, nicht aus dem Stegreife ein Sprung unternommen, es soll nur einfach fortgeschritten werden, da man, wenn kein Stillstand eintritt, auf demselben Weg, und ungefähr auch mit denselben Opfern in bezug auf das dahinterzulassende gar zu individuelle Beiwerk, von der Nationalsprache zur Universalsprache kommen muß, auf dem und mit denen man von der Individualsprache, um die ersten stammelnden Verständigungs- und Mitteilungsversuche so zu nennen, zur Familien-, Provinzial- und Nationalsprache kam.
    Ich habe einzelne Worte unterstrichen, um sie der Aufmerksamkeit des Lesers zu empfehlen, dem ich überdies die mehrfache Lesung des Absatzes anrate. Hebbel berührt hier die höchsten Angelegenheiten der Sprache in Gegenwart und Zukunft, er war nahe daran, einen Denkstein der Literatur aufzurichten, wie auch an anderer Stelle dieses Buches betont wird, allein anstatt ihn frei hinzustellen, läßt er ihn von sprachlichem Gestrüpp umwuchern. Er bildet Sätze ohne Rhythmus, Konstruktionen, in denen es wippt, wackelt, poltert und sich verheddert. Ich werde nie aufhören, ihn als Sprachmeister zu bewundern, aber ich gerate an ein unlösbares Rätsel, wenn ich den dichtenden Hebbel mit dem andern Hebbel vergleiche, der überlegt und Vortrag hält. Wo war sein drittes Ohr, ja wo war sein zweites und erstes, als er schrieb:
... Wenn in der heroischen Tragödie die Schwere des Stoffes, das Gewicht der sich unmittelbar daran knüpfenden Reflexionen eher bis auf einen gewissen Grad für die Mängel der tragischen Form entschädigt, so hängt im bürgerlichen Trauerspiel alles davon ab, ob der Ring der tragischen Form geschlossen, d. h. ob der Punkt erreicht wurde, wo uns einesteils nicht mehr die kümmerliche Teilnahme an dem Einzelgeschick einer von dem Dichter willkürlich aufgegriffenen Person zugemutet, sondern dieses in ein allgemein menschliches, wenn auch nur in extremen Fällen so schneidend hervortretendes, aufgelöst wird, und wo uns andernteils neben dem, von der sogenannten Versöhnung unserer Aesthetici, welche sie in einem in der wahren Tragödie – die es mit dem durchaus Unauflöslichen und nur durch ein unfruchtbares Hinwegdenken des von vornherein zuzugebenden Faktums zu Beseitigenden zu tun hat – unmöglichen, in der auf konventionelle Verwirrungen gebauten, aber leicht herbeizuführenden schließlichen Embrassement der Anfangs auf Tod und Leben entzweiten Gegensätze zu erblicken pflegen, aufs Strengste zu unterscheidenden Resultat des Kampfes, zugleich auch die Notwendigkeit, es gerade auf diesem und keinem andern Wege zu erreichen, entgegentritt.
    Man könnte zweifeln,

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