Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
Ja ich schrecke sogar vor dem Bekenntnis nicht zurück, daß ich unter Annahme sehr langer Zeiträume eine wirkliche Universalsprache für möglich halte; eine Einheitssprache, zu der neben anderen auch die international gerichtete Deutschsprache als eine Vorstufe hinführen würde.
    Der Wunsch nach einer Solchen hat nie aufgehört. Jede Lateinschule, jedes Gymnasium ist als ein kleiner, leiser Ansatz auf diesem Wunschwege zu betrachten, wie das Lallen eines Kindes, das beten will, und sich des Inhalts seines Gebetes noch nicht recht bewußt wird.
    Maupertuis, der Präsident der Akademie von Friedrich des Großen Gnaden, wollte eine Stadt begründen, in der ausschließlich lateinisch gesprochen werden sollte. Er, wie viele andere Forscher, so besonders Newton, unter den neueren Ernst Mach, vertreten die Ansicht, daß das Lateinische (selbstverständlich im Bunde mit dem Griechischen) vollkommen befähigt sei, allen fernsten und feinsten Entwicklungen moderner Gedanken und Begriffe zu folgen. Couturat hat über die Grundzüge einer Internationalsprache berichtet, die auf den wissenschaftlichen Kongressen 1900 zu Paris in Angriff genommen wurde und bis zur Bildung einer »Délégation pour l'Adoption d'une langue auxiliaire internationale« gediehen war. Blieben die Wünsche unerfüllt, so lag der Grund nicht in der Unerreichbarkeit des Zieles, sondern an dem Glauben, daß es anders als in der Selbstentwicklung der Sprachen erreicht werden könnte. Beschlüsse und Maßregeln sind schwächliche Werkzeuge solcher Aufgabe gegenüber. Wer mit Kanonen nach Spatzen schießt, kann immer noch den Spatz treffen, man soll aber nicht mit dem Blaserohr über die Alpen oder über den Ozean hinweg schießen wollen.
    Aber noch unter der Wirkung des Blaserohrs bleiben die Anstrengungen gewisser Verbände, die für unsere Muttersprache selbst fernes Neuland erobern möchten. Sie ahnen wohl, daß dies an sich erstrebenswert sei, und bedauern es demzufolge, daß die Welt sich noch nicht als Feld öffnen will, daß Geltungsbereich und Geltungswürdigkeit des Deutschen noch weit auseinanderklaffen. Und nun kommen sie mit Vorschlägen und Rezeptchen, denen man es auf den ersten Blick ansieht, daß sie weder feld tüchtig noch welt tüchtig, sondern dauernd untauglich sind. Ach, was haben die Herrn doch für ein kurzes Gedärm!
    Man kann keinen komischeren Kontrast ersinnen, als ihre Fragestellung und ihre Beantwortung. In der Frage werden die schwersten, nachdrücklichsten Themen angeschlagen: »Wie erleichtern wir den Fremden die Erlernung der deutschen Sprache? Wie bewahren wir die Auslandsdeutschen vor dem Verlust kostbaren Sprachgutes?« und man sollte meinen, daß sich in der Antwort doch irgend etwas Großzügiges, Weltgültiges befinden müßte. Weit gefehlt. Es erfolgen Anweisungen, die den Geist der Klippschule atmen, Rezepte und Hausmittelchen aus dem Gesichtskreis der Gouvernanten und Kaffeetanten: »man solle die großen Anfangsbuchstaben abschaffen! man solle mehr Antiqua- und weniger Frakturschrift verwenden! man vermeide beim Zeilenübergang unnötige Silbentrennungen!«, lauter brav ausgedachte Dinge, die den Weltgeist sehr interessieren würden, wenn seine ausführenden Organe lediglich aus Setzerlehrlingen bestünden. Gewiß spielt die Frage Antiqua oder Fraktur eine Rolle, aber sie tastet doch nur an der Außenfläche, ohne das Innere zu berühren. Im Innern steckt das lebendige Sprachmittel des Weltwortes, und man kann sich darauf verlassen, daß jene kleinen Rezepttüftler gerade das Weltwort verabscheuen, daß sie von ihm als dem eigentlichen Kettensprenger, Schrankenbrecher und Horizontweiter nichts wissen wollen.
    Wir haben es anders erkannt, in seiner Bedeutung für uns Gegenwärtige und ganz besonders in seiner Sendung für die Zukunft, in der das Dritte Reich der Internationalität beschlossen liegt. Wir glauben und wissen, daß der Kampf gegen das Weltwort, so dröhnend er heute klingen mag, einer literarischen Fernwelt wie ein Hauskrakehl vorkommen wird, oder wie ein Frosch-Mäuse-Krieg, in dem einige geblähte Frösche einige harmlose Wortmäuse erstachen. Das große Schrifttum hat damit nichts zu schaffen, erfährt kaum etwas von den Katzbalgereien um entbehrliche Ausdrücke in der Vulgärsprache und geht aufrecht seinen Weg zur allgemeinen Verständigung. Auf ihren Hochebenen kreist der Kampf um anderes als um lokaltümelnde Wortklaubereien, er kreist um die letzten Dinge des Unbegriffenen, die dem

Weitere Kostenlose Bücher