Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Wörter«, die »Zweifelhaftigkeit ihrer Bedeutung«, immer unter dem Gesichtspunkte, daß die Erfordernisse der Ideen durch keine Sprache, am wenigsten durch eine Einzelsprache zu befriedigen sind. Auf die einfachste Grundform gebracht, besagt seine Lehre: Der Worte sind viel zu wenig; selbst dann zu wenig, wenn man alle Sprachen vereinigt in den Dienst der Ideen stellen könnte.
Freilich nur für den, der sich mit den Schwierigkeiten des Ausdrucks herumzuschlagen hat. Der Kampf mit der Sprache ist das Los des Schriftstellers, sein Fluch und seine Wonne, und dieser Kampf beansprucht um so weiteres Feld, je weiter der Schriftsteller seine Gedanken zu spannen vermag. Der Landarbeiter, der niedere Handwerker, das Hausgesinde kämpft nicht mit der Sprache, sie kommen vollkommen aus, ja sie verbrauchen noch nicht einmal den zehnten Teil der Ausdrücke, die uns als Gemeingut gelten.
Hier nur ein Beispiel, für dessen Richtigkeit ich mich auf eine Fußnote in der »Analyse der Empfindungen« von Ernst Mach berufe: Die Bauern im Marchfelde sagen, daß das Kochsalz »sauer« sei, weil ihnen der Ausdruck »salzig« nicht geläufig ist. Eines Tages – so stellen wir uns vor – tritt es dem besonders feinfühligen Bauer A. ins Bewußtsein, daß der Unterschied beim Schmecken von Salz und von Essig doch zu stark sei, um mit einunddemselben Wort überdeckt zu werden. Zudem ist er in der großen Stadt gewesen und hat dort gehört, daß die Leute einen Pökelhering als salzig bezeichnen. Da ihm dies einleuchtet, so bringt er den neugewonnenen Ausdruck in das Marchfeld zurück und verpflanzt ihn in seine mündlichen Äußerungen.
Dies wird ihm vom Bauer B. nachdrücklich verwiesen. Die Reinheit der Sprache leide, wenn solche Fremdworte wie »salzig« aus der fernen Großstadt – dem Auslande – eingeschleppt würden. Auf den kleinen Unterschied in der Sinneswahrnehmung – (»die Nüankße«) – käme es nicht an, man solle sich rein: »völkisch« ausdrücken und das gute, alte, Marchfelder Wort sauer auch mit Bezug auf das Salz für vollkommen ausreichend erklären.
Damit stellt sich der Bauer B. durchaus auf den Standpunkt der Puristen im weiteren Sinne. Er verwischt Unterschiede, vermindert die Zahl der möglichen Worte, und er kann in seiner Abwehr des Fremdländischen der Anhängerschaft sicher sein; nämlich in seinem Kreise, dem Kochsalz sauer schmeckt, und dessen Denkschärfe wahrscheinlich ebenso entwickelt ist wie seine Empfindungsfeinheit.
Wo liegt die Grenze der Vereinfachung? Nahe genug am Nullpunkt. Und dies gilt nicht nur von den Einzelworten, sondern von der Grammatik, von der Sprache überhaupt. Man kann ausschalten, soviel man will, und es bleibt immer noch ein Rest übrig, der für die platte Verständigung ausreicht. Der substantivisch empfindende Malaie entbehrt nichts, wenn er auf das Zeitwort verzichtet. Er sagt nicht: »Der Mann wirft den Stein«, sondern: Der Wurf des Mannes ist ein Stein. Auf anderem primitiven Boden finden wir: »Mann-Wurf-Stein«, was ebensogut ausdrücken kann: der Mann will einen Stein werfen, als er hat ihn geworfen. Es kann sogar bedeuten: Sieh dich vor, suche Deckung, daß du nicht von dem Stein getroffen wirst, den der Mann dort drüben, der Feind, werfen wird.
Wir besitzen Studien und Bücher über die Affensprache, deren Untersucher, Garner und Waterhouse, mit überflüssiger Umständlichkeit selbstverständliche Dinge ermitteln. Mit ein und derselben Lautäußerung bezeichnet der Gibbon und das Kapuzineräffchen: »Futter«, »Fressen«, die »Nuß«, den »Zucker«, »gib mir die Nuß«, »gib mir den Zucker«, »ich bin darauf begierig«, »es wird mir gut schmecken«. Ihr Wortvorrat ist nicht groß, aber ausgiebig, ein erheblicher Zweifel über das Gemeinte kann nicht aufkommen. In seinem Sinne äußert sich jedenfalls das Äffchen eindeutig und bestimmt, und es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß eine verfeinerte Beobachtung dereinst Unterschiede in der Affenbezeichnung für Nuß und Zucker aufdecken wird. Aber höchstwahrscheinlich befindet sich im Wörterbuch des Äffchens keine Stelle für »Maus« und für »Fisch«; diese Worte mögen im Sprachschatz der Eule, der Katze und des Pelikans vorkommen; das geht den Affen nichts an; er hätte im gewöhnlichen Laufe seines täglichen Lebens alle Ursache, irgendwelchen Ausdruck für Maus oder Fisch zu den entbehrlichen Fremdworten zu rechnen.
Auch die Menschen und sogar wir gebildete Menschen vereinfachen unter
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