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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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– durchaus über Halbtöne aufgebaute – Oper vorstellen. Und dazu einen chromatischen Operntext, nämlich eine Dichtung, die nach ihrer Anlage eine chromatische Vertonung erfordert. Dann wäre es eine zweckentsprechende Abkürzung, von einem »chromatischen Dichter« zu reden; weil es einer höchst umständlichen Beschreibung bedürfte, um den an sich weder farbigen, noch halbtonigen Dichter logisch genau zu bezeichnen: als einen Künstler, dessen Verse so geartet sind, daß sie den Komponisten zu einer Vertonung in Halbtönen anregen. Das mag man sich weiter ausspinnen, an eine unübersteigbare Grenze wird man niemals stoßen.
    Unsere größten Sprachmeister haben, ohne sich auf grammatische Begründung einzulassen, Adjektive hingeschrieben, die heut im Schülerheft den Tadelstrich herausfordern und vielleicht in hundert Jahren wieder als selbstverständlich erlaubt gelten werden. Lessing spricht von »verschmitzten Frauenrollen«, Grimm von »ungeborenen Lämmerfellen«. Fritz Mauthner führt im zweiten Bande seiner Sprachkritik das Wesen der Adjektive fast restlos auf metaphorische Beziehung zurück: »... Eine Sache ist rein, ein Mensch, den man mit ihr vergleichen will, heißt reinlich. Ein anderer Mensch, den man mit dem schmutzigen Schwein vergleichen will, heißt schweinisch. Eine genaue Durchsicht unserer Adjektive würde ergeben, daß alle diejenigen, deren Etymologie noch nachweisbar ist, solche Metaphern sind; und die Vermutung, daß alle Eigenschaftswörter auf bewußter Vergleichung mit Dingen ursprünglich beruhen, liegt nahe.« Da aber kein Vergleich ganz aufgeht, restlos stimmt, so können wir auch niemals dazu gelangen, den statthaften Grad der Annäherung durch eine Regel festzulegen. Das gegenwärtige Sprachgefühl gilt immer nur für die Gegenwart einer so oder so eingestellten Einzelperson; neben ihr leben andere mit erweitertem Sprachgefühl, und ganz gewiß wird die Zukunft uns alle, die wir noch mühsam die Grenzstriche erforschen, als engbrüstig und pedantisch erklären. Die Dinge an sich bleiben uns ewig unzugänglich, nur ihre Eigenschaften treten uns ins Bewußtsein; je mehr sich die Wahrnehmungen verfeinern, verästeln und in ihren Verzweigungen wiederum zu neuen Begriffsverbindungen führen, desto schwerer kann die Sprache nachkommen, und oft genug geht ihr der Atem aus. Es ist ein Wettrennen zwischen den Eigenschaften im Bewußtsein und in den Eigenschaftswörtern in der Sprache. So bleibt nichts übrig, als den vorhandenen Adjektiven immer mehr Freiheitsgrade einzuräumen und ihnen den Zutritt zu manchen Attributbildungen zu verstatten, die sich nach strenger Logik nicht rechtfertigen lassen.
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    Da öffnet sich ein weites Feld der Findigkeit und Geschmacksbewährung, zumal für die Schriftsteller, die Kunstkritik und -analyse betreiben. Die substanzloseste aller Künste, die Musik, entzieht sich der Sprachbehandlung fast vollkommen, und wir kämen im Ausdruck überhaupt nicht vorwärts, wenn die Logik durchweg das letzte Wort behalten sollte. Die Beschreibung eines Tonstückes läßt sich nur durch eine Häufung von Metaphern ermöglichen, die mit der Wirklichkeit recht wenig zu tun haben. Eduard Hanslick behandelte die Paganini-Variationen von Brahms und beschrieb sie als »mit Schwierigkeiten unterminiert «. Wie kommt der Begriff eines mit Explosivstoffen gefüllten Stollens in ein Klavierkunstwerk? Was soll hier in die Luft gesprengt werden? Gewiß, er hätte schreiben können: mit Schwierigkeiten beladen, mit Schwierigkeiten gesättigt, und der logische Widerspruch wäre dann leiser geworden; immer noch nicht verstummt; denn die Last und die Sättigung sind in diesem Zusammenhange auch nur metaphorisch, also ungenau, zu verstehen. Schrieb er »unterminiert« so holte er den Vergleich aus weitester Entlegenheit, aus ganz unwahrscheinlicher Ferne, und doch: für den, der die Natur dieses Stückes genau kennt und seine Sonderschwierigkeit im Gegensatz zu anderen Virtuosenschwierigkeiten abzuschätzen weiß, für den steht es fest, daß der Ausdruck »unterminiert« einzig und allein unter allen Adjektiven hierher paßt; und daß ein großer Sprachkünstler dazugehörte, um ihn der Logik zum Trotz zu finden.
    Drastisches Beispiel eines Ganzmodernen. Oskar Bie in seinem großen Werk »Die Oper« über Beethovens Fidelio: ».....Ringsherum kracht es von Erregungen und drängenden Willensentladungen, in all jenen eisernen Ton-Konsequenzen, die Beethovens Handschrift sind,....

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