Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
von solchem Gekauder, wie in vorliegendem Buch an zahlreichen Zitaten bewiesen wird. An dieser Stelle und im Zusammenhang mit dem Ausflug ins Pennsylvanische sollte nur ein Zufallsbeispiel herausgegriffen werden. Der Titelkopf des »Vorwärts« trägt für alle Welt verständlich die durchaus sach- und sinngemäße Bezeichnung: Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands; in fünf Worten fünf Fremdbestandteile, – mithin nach der Auffassung der Sprachpriester: »Geluder«. Mit aller Hilfe der besten Verdeutschungsbücher wäre dafür herauszubringen »Mittelzeitschrift der Genossenvolksherrschaftlichen Gruppe Deutschlands«. Das klänge aber auch nicht besser als pennsylvanisch, und wäre dazu im Ausdruck minder treffend als die Redeweise des vorerwähnten Cleveländers, der mit dem Ausdruck »Rasselschneck« wenigstens ganz deutlich und volksverständlich bezeichnet, was er meint; der verballhornt nur Silben und Worte, nicht den Sinn.
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In der Beurteilung aller Fragen, die uns hier beschäftigen, würde die »Gefühlsbetonung« eine sehr große Rolle spielen, wenn wir von ihr nur etwas wesentliches wüßten. Die Angelegenheit der Gefühlsbetonung wird oder kann einmal eine Wissenschaft für sich werden; heute sind dafür nur die ersten Ansätze vorhanden, lose Ahnungen, die wir unter dem Sammelnamen »Onomatopoiie« begreifen und auf den inneren Zusammenhang der Worte mit Vorgängen in der Natur beziehen. Der wirkliche Zusammenhang liegt ganz im Dunkeln, selbst bei Worten, die uns wie brüllen, lispeln, säuseln, Donner, röcheln, rollen ganz unverkennbar onomatopoetisch, also klangbildnerisch nachgeahmt erscheinen. Ja sogar in Lautbildungen, die ganz einfach und geradezu einen Naturschrei wiederholen, kommen wir von der Täuschung nicht los. Wir Deutsche sind z. B. der festen Meinung, daß es zur Nachahmung des Hahnenschreies gar keine treffendere Beschreibung geben könne, als »Kikeriki«, und wir würden jeden Versuch, dieses zum Substantiv erhobene Wort durch ein anderes zu ersetzen, als unsinnig ablehnen. Wir empfinden zumal die drei »i« als eine naturgewollte Notwendigkeit. Aber schon das Zeitwort »krähen« sollte uns stutzig machen, da es doch für denselben Vorgang onomatopoetisch auftritt, aber auf ganz anderer Vokalgrundlage. Warum heißt es nicht »kriehen«, – und wenn das »ä« onomatopoetisch richtig ist, warum heißt das Hauptwort nicht Kähkeräkäh? warum? weil wir erst, willkürlich, den Vokal hinzuerfinden, der dem Vogelruf an sich ganz fremd ist. Der gallische Hahn äußert sich ganz gewiß nicht anders als der germanische, allein der Franzose hört und schreibt »cocorico« , wiederum mit anderer Vokalisierung. Soll etwa die Naturtreue beim Konsonanten liegen, beim »k«? Damit ist auch nicht durchzukommen, denn der nämliche Laut hieß im 16. Jahrhundert »Tutterhui«, und manchem Ohr wird vielleicht noch heute das »T« und das »u« der Wahrheit näher zu kommen scheinen als das »co« und »ki«.
Nun beschränkt sich aber der Kreis der Gefühlsbetonungen keineswegs auf die eigentlichen onomatopoetisch gebildeten Worte; er umfaßt vielmehr hunderte, tausende von Worten, ja vielleicht die ganze Sprache. Der Reiz und die Traulichkeit der Muttersprache sind im Grunde nichts anderes als das symphonische Zusammenklingen aller dieser Gefühlstöne. Mauthner untersucht in diesem Zusammenhange den Satz: Die Schwalbe zwitschert, und findet den Gefühlston in dem Wort »Schwalbe«. Stimmt es aber mit dem Gefühlszusammenhange in einem Falle, so ist das Ende überhaupt nicht abzusehen. Alles ist gefühlsbetont, nichts läßt sich somit vollkommen getreu, das heißt, mit Hinübernahme dieser Betonung übersetzen, mag auch der Sinn restlos in anderer Form ausgedrückt werden können.
Solche Gefühlswerte lagern sich aber nicht nur um die Heimatsworte, sie hängen auch an Fremdworten, und sie gewinnen für uns eine Bedeutung, wenn es sich um vielgeübte Worte der Bildungssprache handelt. Etwas Onomatopoetisches arbeitet hier mit, etwas Unerforschtes in den Geheimwirkungen der Wortklänge, also besonders der Vokale.
Bleiben wir noch einen Augenblick beim Rein-Deutschen. Unsere Ausdrücke für Farben, grün, gelb, rot, blau, schwarz, weiß, zeigen verschiedene Vokale, die man als Zufallslaute ansehen kann. Eine sachliche Notwendigkeit verknüpft weder das »ü« mit dem Grün, noch das »o« mit dem Rot, wie der Vergleich mit beliebigen anderen Sprachen sofort zeigt. Aber
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