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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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ihm also nicht beigelegt werden. Es sei denn, der Sprecher wolle aus irgend einer Absicht den unstimmigen Ausdruck bevorzugen; wie man ja auch zum Zweck eines gewissen Kontrastes vom Professor Aristoteles oder vom Grand Prix im alten Olympia reden könnte. Wo aber diese Absicht nicht kenntlich wird und nichts anderes herauskommen soll als eine identische Gleichung, bleibt es bestehen: Antiochus war ein Judenfeind, aber kein Antisemit.
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    Und was fangen wir mit den -ismen an, mit allen den -ismusen , die sich dem Wort so willig anfügen, um aus einer Person, einem Gegenstand, einer begrenzten Erscheinung etwas Allgemeineres zu entwickeln? Gerade aus der Willigkeit wird ihnen der schlimmste Vorwurf gemacht, von jenen, die im Fremdwort den Schmarotzer, also im -ismus den Parasiten auf dem Parasiten erblicken. An sich schon ein übler Welschling, klammert er sich noch dazu fast ausnahmslos ans Welsche, um es noch mehr zu verausländern, dazu noch an Eigennamen – Cäsarismus, Platonismus, Pyrrhonismus, Galvanismus, Alpinismus – und wenn wir es nicht an der Wurzel erfassen, wird es sich auch bald im Reindeutschen ansiedeln; und daraus könnte sich ein netter Sprechanismus entwickeln!
    Eine durchgreifende Hilfe gegen das Anhängsel gibt es nicht. Der Übersetzer verweist auf die einzelnen Fälle und findet vielfach brauchbaren Ersatz, für den Einzelfall; d. h. er kann das Hauptwort mit seinem Schwanz auf Deutsch beschreiben. Aber ein für allemal so, daß er den weiteren Begriff etwas verengt. Er liefert in der Übersetzung, bestenfalls, einen konzentrischen Kreis mit verkürztem Radius. Nur ein Ring bleibt zwischen den Kreisen übrig, just in diesem sitzt der -ismus, und den kriegt er nicht mit hinüber. Zum Beispiel: Naturalismus : Abklatschung, Abklatschkunst, Alltagsäfferei, Kunstlosigkeit, Plattheit, Armeleutdichtung, Wirklichkeitsbild, Lebenstreue usw. Lauter Begriffskreise, die mit dem des Naturalismus den Mittelpunkt und einen Teil der Fläche gemeinsam haben; aber nicht die ganze Fläche. Der -ismus liegt immer jenseits, weil er nicht nur eine Teilkunst bezeichnet, nicht nur einen Zustand, eine Richtung, sondern die Gesamtheit aller Zustände, die in den kleineren Kreisen Platz finden.
    Pessimismus , gleich Weltschmerz, Weltverzweiflung, Lebensverneinung, Verdüsterung, Schwarzseherei, Wehleidigkeit, Trübsinn, Miesmacherei usw. – reicht's aus? gewiß, für den Einzelmenschen, nicht für den Umring des Begriffs. Jede Übersetzung gibt Stimmungseinzelheiten, die selbst in ihrer Zusammenfassung sich noch nicht zur Weltanschauung des Pessimismus addieren. Denn sie alle hadern nur mit den Erlebnissen innerhalb dieser Welt, geben trübe Ausblicke, enthalten aber kein Wertmaß zwischen dieser und anderen als möglich vorgestellten Welten. Diese Ansage zu leisten bleibt dem Pessimismus vorbehalten, als der Erweiterung der Stimmungen bis zu einer Lehre, die einen Beweis darstellen will: davon, daß unter allen vorstellbaren Welten die der Wirklichkeit als die schlechteste anzusehen ist.
    Wer die Reihe der -ismen so an sich vorbeischreiten läßt, ergibt sich einer ganz nützlichen Gedankenübung. Es empfiehlt sich, zur Analyse nicht nur die Worte, sondern Sätze heranzuziehen, in denen verwandte -ismen neben einander auftreten; wie z. B. »Der gröbste Zynismus ist unschuldiger als der feinste Obszönismus «; oder »Eine philosophische Linie führt vom Nominalismus über den Idealismus zum Solipsismus «. Man wird erkennen, daß es gar nicht so leicht ist, dergleichen restlos aufzulösen, und zugleich begreifen, warum sich unsere Wörterbücher an manchem - ismus mit scheuem Schweigen vorbei drücken.
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    Die Berufung auf Einfachheit und Erbaulichkeit entspricht dem Verfahren der einstmaligen preziösen Regelschmiede in Frankreich. Damals wurden Ächtungslisten der »unedlen Worte« aufgestellt, heute stehen die Fremdworte auf der Liste. In beiden Fällen wird die Schattenprojektion der Vollsprache für gleichwertig mit dem Körper genommen. Damals lief die Projektionsebene durch Hof und Salon, heute wird sie durch Himmel oder durch Wiese gelegt. Der Unterschied ist nur, daß die Regelschmiede von heute die Mängel ihrer Konstruktion ganz gut kennen und sie nur darum anwenden, weil kindliche Gemüter durch sie so leicht überrumpelt werden können.
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    Es ereignet sich nur selten, daß Sprachweisheit, Ausdrucksfülle und strenge Wissenschaft in einem Menschen zusammentreffen. Ernst Mach war einer

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