Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
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Für das Nachwirken des Heimatgefühls zeugt das Bekenntnis eines Deutsch-Amerikaners:
Ich les in de Päpers ( papers ), daß schun widder gege de schörmen Lessens ( german lessons ) in de poblik skuhls ( public schools ) gekickt werd ( to kick : stoßen, Fußtritte geben) ... Mei Eidie ( idea ) is, daß de Perents ( parents , Eltern) viel derbei tu könne, daß de Kinner mehr Progreß ( progress ) im Deutsche mache. Vor alle Dinge derf mer ihne kee englische Expreschens ( expression ) dorchgehe losse un muß sie immer ahalte, alles deutsch zu sage. Wann zum Beispiel mei Bu sagt: »Pa, ich hen in der Menädscherie ( menagerie ) e Rettlsneck ( rattlesnake , Klapperschlange) gesehne«, do sag ich glei: Du Räskel ( rascal , Hallunke), kannscht net sage, e Rasselschneck ?
Wenn ein deutscher Schriftleiter derartige Possierlichkeiten übernimmt, so denkt er zunächst schmunzelnd an das Gaudium seiner Leser, dann aber gibt er sich einen Ruck ins Moralische und übt Richteramt. Mit einem »Gefühl der Beschämung« stellt er fest, daß der Deutsche, immer nur der Deutsche, durch die Verballhornung seiner Sprache sich und sein Volk im Ausland lächerlich mache. Ich kann dieses Gefühl der Beschämung nicht teilen, so stark ich auch die Drolligkeit der Sprachkarikatur empfinde. Denn der pennsylvanisch Redende steht in der Sprachbedrängung und hat nur die Wahl: verschmutztes Deutsch oder gar kein Deutsch. Er verteidigt die Reste seiner Stammsprache, um nicht vom Englisch überflutet zu werden, mit derselben Zähigkeit, wie der Jude im Osten sein armes Deutsch-Jiddisch gegen das Slawische behauptet. Vielleicht wehrt er sich vergebens. Dann ist das Pennsylvanisch von heute nur ein Vorläufer einer Mischlingssprache, die dereinst Eigenleben erringen kann. Das Komische tritt nur als Übergangserscheinung auf. Alles Romanische z. B. muß Zwischenformen durchlaufen haben, die vom Standpunkt der reinen Grundsprache aus gehört, Kauderkeltisch, Kauderrömisch, Kaudernormannisch usw. klingen mochten. Die Zwischenform kann verschwinden, sie kann sich aber auch befestigen und über den bloßen Notbehelf hinaus in Zeit und Raum Geltung gewinnen. Das Pennsylvanische in heutiger Form ist sicherlich Verzerrung, niederste Form eines Patois und außer Stande, aus sich heraus irgendwelches Schrifttum zu erzeugen. Aber auszudenken ist es schon, wenngleich die Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, daß sich aus ihm irgendwann ein neuer Dialekt entwickeln wird, der dem Sprachkundigen der Zukunft mehr bedeutet als ein lächerliches Kuriosum.
Anstatt dieser Denkbarkeit nachzugehen, benutzen die Reinlichkeitseiferer jene Pröbchen aus dem sprachlichen Wildwest zu dem ihnen nächstliegenden Zweck. Sie erklären einfach: da habt ihr das Muster einer Ludersprache, und in dem mit Fremdbrocken durchsetzten Gelehrtenjargon Deutschlands habt ihr ein zweites Muster. Eines wie das andere; das angeblich hochgebildete, verwelschte Schriftdeutsch unserer Tage ist genau so verludert wie das Pennsylvanische und wirkt auf den völkisch denkenden genau so skurril wie die Ausdruckweise der Ungebildeten jenseits des Großen Teiches. Und dann werden die Belegproben angeführt, etwa: »Goethes ethische Anschauung ist ein teleologischer Energismus mit perfektilibistischer Tendenz« – »Die Musik des Novalis ist nicht die der transzendentalen Pneumatologen und Theurgen«. Fehlt nur der Beweisschluß; denn solche herausgerissene Sätze einzelner Entgleister haben mit wissenschaftlichem Deutsch nicht das geringste zu tun; sie verhalten sich zu ihm wie die Kathederblüten des Galletti zum Gesamtinhalt der deutschen Wissenschaft. Nicht das Fremdwort, das Weltwort, ist für jene Sätze verantwortlich zu machen, sondern der Geisteszustand der Konfusionariusse, die sie aufschrieben.
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Wenn der Laie Ausdrücke vernimmt wie Pseudoïsidorische Dekretalen, Dielektrizitätskonstante, Aethylphenylpropylsilicylchlorid, so kommt er bei ausreichender Unbildung auf Gegenstücke aus dem Alltag, etwa auf »Militärintendantursekretariatsassistent«, und er glaubt dann, das Wesen der Sache erfaßt zu haben; weil er nicht zu unterscheiden versteht zwischen geschichtlich oder organisch begründeter Notwendigkeit und lächerlichem, überflüssigem Gemansche.
Gewiß, man kann mit Fremdworten kauderwelschen, aber man kann auch mit Heimworten kauderdeutschen. Und in den Übersetzungskünsten, die auf uns einstürmen, wimmelt es
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