Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
das als Stück verschollen, eben nur in seinem Titel sich erhalten hat und uns in seinen drei Worten eine Komödie vor Augen hält. Auf diesen Durchklang des Schwankhaften mag verzichten, wer weiter nichts beabsichtigt, als den nackten Begriff hinzustellen. Wollen wir darüber hinaus, liegt uns daran, die Verlegenheit aus Überfülle wie ein Schauspiel für Lachlustige zu kennzeichnen, so brauchen wir jenen Durchklang; und der steckt nur im französischen Original, nicht in irgendwelcher Abschrift; ebensowenig wie in einem »ruhmredigen Kriegsmann« der »miles gloriosus« steckt. –
Gehört das Wort »Bravour« zu den Überflüssigkeiten? gewiß für den, dem es Tapferkeit, Heldentum bedeutet und nichts anderes. Aber das andere kann vorhanden sein, Wichtigkeit gewinnen, und dann wird aus dem superflu die chose très-nécessaire. Man kann nämlich ansetzen: Bravour verhält sich zu Tapferkeit wie Effekt zur Wirkung, oder wie Virtuosität zur Meisterschaft. Streng genommen zeigt jede Heldentat ihre besondere Tapferkeit, eine davon, die dramatisch zugespitzte, als Schaustellung eindringliche, ist die Bravour. Sie findet ihr Gegenstück beim ausübenden Musiker und ist auch bei ihm ein Notwendiges. Im Künstlerischen ist der Gleichungsansatz: »Bravour verhält sich zur Meisterschaft wie x zu y« nicht zu vollenden; die Bravour wird durch die Virtuosität bedingt, aber nicht erschöpft. Von zwei Spielern kann der eine die größere Virtuosität besitzen, während ihn der andere durch die Bravour übertrifft. Das Blendende steckt in beiden Begriffen, das Draufgängerische nur in einem. Der Wortübersetzer, der dieser Betrachtung gerecht werden will, stößt gegen eine Unmöglichkeit; und mit aller Tapferkeit seines Ansturms gegen das »überflüssige« Wort wird er nichts anderes beweisen, als dessen Notwendigkeit.
Der Bravour innerlich verwandt ist das »Prestige« als Begleiterscheinung einer Person, einer Macht. Das »Prestige« kommt dem Beckmesser als französelndes Getue vor, denn wir haben ja dafür die gleichwertigen Ausdrücke: Übergewicht, Ansehen, Machtstellung; wißt ihr aber, was diesen Ausdrücken zur Aufnahme des Wettbewerbes fehlt? eben das Prestige! Denn dieses hat obendrein etwas Theatralisches, von der Schaubühne, vom Märchen, es integriert eine Wirkungsvergangenheit zur unerklärlichen Zukunftswirkung. Der Zauberer, der das Wunder – »prestigium« – vor Staunenden ausführt, gibt dem Wort seine Eigenart. Von dem Manne, dem ich Prestige zumesse, behaupte ich nicht nur das Ansehen in der Gegenwart, sondern eine Summe vergangener Erfolge, die in seine weitere Geltung wie ein Wunder hinüberstrahlen. Also wiederum: für das Wort ist Ersatz möglich, und der Ersatz leistet etwas; er leistet nur nicht das, was wir gerade von ihm verlangen. –
Ist die Wendung »par impossible« überflüssig? Selbstverständlich! meint der Kreideschwinger, denn man kann ganz genau auf gut deutsch angeben, was damit gemeint ist. Nur daß der Zufall der Ausdrucksentwicklung im Französischen zu einem kurzen Stichwort zusammengedrängt hat, was bei uns einen ganzen Satzbau bedingt. Er bedeutet nämlich in aller Vollständigkeit: »wenn man (zum Zweck einer vorliegenden Ansage) etwas Unmögliches als möglich annimmt.« Seien wir der Hilfe dankbar, die uns eine solche Weitläufigkeit erspart und uns in der Form des Überflüssigen etwas sehr Notwendiges anbietet.
»Revanche«, »Chauvinist«, »Sabotage« gehören nach der Willensmeinung unserer Aufpasser – par ordre de moufti – auf den Index. Warum sage ich »Index!« ? Weil mir dies einzige Wort eine ganze Geschichte umschließt mitsamt einem dogmatischen Hintergrund. Es gibt dazu keine Übersetzung, sondern nur eine ziemlich lange »Erläuterung«. Aber diese Erläuterung kann fortfallen, wenn das Wort selbst durch seinen Klang seine Stammesgeschichte bekannt gibt. Der Sprachmufti verordnet mir für Sabotage: Sachzerstörung; das genügt mir aber nicht im mindesten, denn ich vermisse darin den Hinweis darauf, daß sie in Frankreich aufgekommen ist als ein verwerfliches Mittel im sozialpolitischen oder kriegspolitischen Kampfe. Vom »Chauvinismus« hat schon Kaiser Friedrich gesagt: Gott sei Dank, daß wir dafür keinen deutschen Ausdruck besitzen; und in der Tat haben ihn alle Sprachmuftis zusammen noch nicht zu übersetzen vermocht; denn es steckt ein Eigenname darin, Nicolas Chauvin, napoleonischen Angedenkens, an den dieses Wort anklingen soll; fehlt
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