Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
dieser Anklang, so verschwindet im Begriff der geschichtliche Rückblick, auf den es durchaus ankommt. Und ebenso hat die Revanche einen andern geschichtlichen Hintergrund als die deutsche Rache oder als die italienische Vendetta. Ich kann es meinen Lesern überlassen, den Unterschieden nachzuspüren. Beim ersten Anlauf werden sie erkennen, daß hier wie in vielen Fällen ein organisches Gesetz obwaltet, und zwar das (biogenetische) Grundgesetz der Entwicklungslehre; das Wort wiederholt in kurzem Auszug seine ganze Stammesgeschichte . Es gibt also mehr als die oberflächliche Kennzeichnung des heut gültigen Begriffs, es erzählt dessen Entstehung, und hierin liegt sein Wert. Wer darauf verzichten will, der mag mit irgendwelchen Ersätzen und Behelfen auskommen. Er hat dann etwas »Überflüssiges« beseitigt, jenes superflu, das wir mit Voltaire als eine chose très-nécessaire anerkennen.
Nun kommen uns andere mit einem Einwand, der zuerst sehr bedrohlich aussieht. Sie sagen: wie kommt ihr dazu, als Deutsche französische Brocken einzuflicken, da es doch keinem Franzosen einfällt , deutsche Worte für seine Rede in Anspruch zu nehmen? Wie ein Grundsatz in der Mathematik reckt sich hier eine Behauptung auf, selbstverständlich und beweislos, weil keines Beweises bedürftig. Urplötzlich ward dem Welschen, dem Franzosen, ein Ruhmeskranz aufgestülpt, da er im Gegensatz zu uns deutschen Sprachschmutzern bei sich zu Hause unverbrüchlich auf Reinheit hält.
Zur Beantwortung jener Frage diene eine Wendung, die eher französisch als deutsch war: ça s'explique parce que ce n'est pas vrai – das erklärt sich dadurch, daß es nicht wahr ist; es ist sogar gründlich falsch!
Dem Franzosen fällt es nämlich gar nicht ein, auf Deutschworte zu verzichten, und unsere Sprachvögte müßten dies wissen, wenn ihre Belesenheit auch nur zum zehnten Teil so erheblich wäre, wie der Sicherheitstrotz ihrer Behauptungen.
Diesem Wissensmangel sei hier eine kleine Auslese aus französischer Rede und Schrift entgegengestellt, vornehmlich aus Zeitungen der Neuzeit; in Worten, die sich zum Teil festgesetzt und in den großen Nachschlagewerken ihre Stätte gefunden haben.
Der Franzose darf sagen und schreiben: le kaiser , le kaiserisme , kaiserlich , le kanzler , le reichstag , le reichstaler , le dom-chor , le landsturm , le landwehr in der Bedeutung von Landwehrmann, der in dieser Form z. B. in Romanschriften von Erckmann-Chatrian auftritt.
Bismarcker , als Zeitwort, heißt: überlisten, bismarckiser : nach Bismarcks Art regieren; un bismarck ist ein guter 1866er Wein, couleur bismarck bedeutet rotbraun, bismarck malade : hellbraun, bismarck en colère : kastanienbraun.
In Paris wie auch in Südfrankreich besucht der gemeine Mann, wenn er auf deutsches Bier Lust hat, une kneipe ; und dort bestellt er zum Erstaunen unsres Herrn Säuberlich: un bock , un kummel , un bitter , un kirsch , des bretzels , un hareng saur , und un knickebein ; bringt er es zu einiger Fertigkeit im Biervertilgen, so wird er un bockeur (seine Gefährtin une bockeuse ), und für die Heimat de ce bockbier hat er allerhand Nebenbezeichnungen, wie Choucroutland ; wie denn überhaupt das Sauerkraut in seinen Gedankenverbindungen eine Rolle spielt: tête de choucroute , choucroutard , selbst choucroutman treten im Gespräch auf und bedeuten, wie leicht zu erraten, keine Liebenswürdigkeiten. Er mag als Franzmann keinen Deutschen leiden, doch seine Biere trinkt er – il les trinque – gern. Er kennt la trinkhalle und le tringuelte , schon von Rousseau her, bei dem auch le havresac zu finden. Geläufig sind ihm le bourgmestre , le vaguemestre (Wagenmeister, oft genannt in »le Feu« von Barbusse); la brèche (Bresche, von brechen); blinder (von blenden), bloquer, la hase (Hasenweibchen). Er benützt auch seine Adjektive und bezeichnet in Gerichtsakten (seit 1919) einen Menschen ohne Ausweispapiere als »heimatlos« , so geschrieben und vermutlich »ämatloh« gesprochen.
Der Kindergarten ist auf Französisch nicht nur le jardin d'enfants , sondern, wenn auf die Fröbelsche Herkunft hingewiesen werden soll: le kindergarten . Ein Schuhflicker wird zum choufliqueur , mit dem Zeitwort choufliquer . Der Reiter wird le reitre , der Landsknecht le lansquenet , dort, wo sie Obdach finden, kommt das Zeitwort héberger , beherbergen vor, und befindet sich unter ihnen ein lustiger Geselle, so gilt er als ein »loustic« .
Wir finden ferner: le Wehrgeld, le wispel, le
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