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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Munde lebendiger redender Menschen ... Wieviel Schaden durch solche Splitterrichterei gestiftet wird, wie diese gerade die einflußreichsten Schriftsteller erbittert und verstockt, das ahnen die Sprachbenörgler nicht, obschon ihnen die Beispiele aus unserer Literaturgeschichte bekannt sein müßten.«
    Wuchtige Sätze! – woher wohl? aus der »Deutschen Stilkunst« des nämlichen Proteus Engel, der hier den ewig fließenden Strom der Sprache rauschen hört, dort ganz genau die Kanäle anweist, in denen sie zu fließen hat.
    *
     
    Den stärksten Trumpf hat Engel mit seinem Werk »Deutsche Sprachschöpfer« hingeworfen, und man muß ihm zugeben, daß er hier mit meisterlichem Geschick alle Kräfte der Überrumpelung spielen läßt. Er steht in diesem Buche auf ganz gesichertem Wissensgrund, und man soll ihm dahin folgen, um eine Menge von Tatsachen kennen zu lernen, die in diesem scheinbar zwingenden Zusammenhang noch nirgends geboten worden sind. Wer dem gegenüber nicht die in noch tieferer Bildung verankerte Überzeugung aufzubringen hat, wird die Waffen strecken müssen.
    Dieses Buch liefert einen erneuten Beweis dafür, daß man aus ganz richtigen Voraussetzungen durch scheinrichtige Schlüsse zu ganz falschen Ergebnissen gelangen kann. Scheinrichtig sind die Schlüsse deshalb, weil sie zwar Wahrheit, aber nicht die volle Wahrheit erfassen. Sie verfehlen die Wahrheiten, die außerhalb eines engbegrenzten Horizontes liegen. Auch die blitzende Begeisterung, mit der sie vorgetragen werden, sind hier die Anzeichen einer Engnis, vergleichbar den Spannungszuständen auf einer elektrischen Fläche. Die elektrische Spannung wächst, je mehr sich die Oberfläche verengt. Bei Engel erreicht sie einen Höchstgrad der Wucht, allein man darf nicht vergessen, daß diese auf Überzeugung gestellte Stärke von der Kleinheit der Oberfläche abhängig bleibt, auf der er operiert. Und so behält er im kleinen Recht, während ihm das andere, größere, wichtigere Beweisfeld gar nicht zum Bewußtsein kommt.
    Soeben schrieb ich die Ausdrücke »Oberfläche« und »Bewußtsein«, und der Gegenpart wird nicht verfehlen, mich darauf festzunageln. Denn beide zum besten deutschen Sprachgut gehörigen Wörter sind einmal von bestimmten Wortformern zur Verdrängung fremdländischer Ausdrücke erfunden worden, und aus dem Buche »Sprachschöpfer« kann man lernen, daß diese Erfindungen hoch in die Hunderte, vielleicht bis ins zweite Tausend gehen. Das Wort »Oberfläche«, statt superficies, stammt aus dem Jahre 1648, Philipp von Zesen ist sein Erzeuger, es erscheint uns heute kerndeutsch, und man würde es zum ältesten Sprachbestand rechnen, wenn man nicht wüßte oder aus der vorliegenden Quelle erführe, wie sich die Sache wirklich verhält. Neben Zesen treten als Neuschöpfer auf: Schottel, Opitz, Harsdörfer, vor allem Campe, dazu einige Ganzgroße des Schrifttums, Luther, Lessing, Goethe, Wieland usw., wobei schon im ersten Anlauf ein besonderer Umstand stutzig machen müßte: daß nämlich das sprachschöpferische Genie der Neuformung ganz überwiegend bei den Männern getroffen wird, die sonst als Zierden der Literatur kaum in Betracht kommen; [Fußnote: Bei Campe verrät sich die Weite des geistigen Horizontes durch seinen Ausspruch: Er hätte lieber die Braunschweiger Mumme erfinden mögen, als sämtliche Tragödien von Äschylos bis auf Shakespeare.] des weiteren der Umstand, daß dieses Neuformungsgenie mehr und mehr ausstirbt und heutzutage trotz zahlloser Versuche zur Neuwortbildung sich in keiner hervorragenden Persönlichkeit des Schrifttums klar zu erkennen gibt.
    Aber sie waren doch vorhanden, und Engels Buch gibt in einem auf bewunderungswerten Studien errichteten Register die genaue Aufstellung ihrer Leistungen. Gar nicht zu leugnen: damit hat sich der Vorkämpfer eine Treppe gebaut, die von unten gesehen bis in die Unsterblichkeit hinaufreicht.
    Es ist jedoch zu unterscheiden zwischen der sprachwissenschaftlichen Arbeit, die ich als großartig anerkenne, und dem Beweis, der darauf gegründet werden soll. Dieser Beweis bleibt Null, ja man kann sogar behaupten, daß er das Gegenteil dessen beweist, was er darzutun unternimmt.
    Denn es handelt sich gar nicht darum, zu untersuchen, ob irgend eine Menge von Fremdbrocken durch gut Neudeutsch ersetzt werden kann oder muß, sondern darum, ob das Gesamt-Ausdrucksmittel unserer Sprache durch solche Übung gewinnt oder verliert. Was sich dabei herausstellt, ist nur das eine:

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