Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
dafür ein blitzsauberes ein, an seiner Sinnlosigkeit wird sich nichts ändern.
Gibt es überhaupt so ein ganz sauberes Vokabular? ich glaube, kein Mensch vermag es aufzustellen, auch nicht der Großreformator. Er bleibt von Lehnwörtern abhängig, deren Güte und Gültigkeit bestritten wird, vom wechselnden Grade der »Eingedeutschtheit«, ja er selbst erliegt nicht selten mitten in der besten Deutscharbeit den fremdländischen Sirenenklängen.
In seinem Wörterbuch steht »preziös« dreizehnmal übersetzt, wird damit als entbehrlich nachgewiesen. Er selbst aber spricht und schreibt »preziös« an entscheidender Stelle und zeigt es dadurch als unentbehrlich. Er wettert gegen die berühmte Erklärung der Einundvierzig in Sachen der Sprachvereine und ballt seinen ganzen Zorn gegen den Hauptmann jener Erklärung in die Worte zusammen: Verfaßt war sie von Erich Schmidt ,
einem hochgeschätzten Gelehrten, zugleich aber einem Schriftsteller mit dem allerschlechtesten Stil, dem preziös verschnörkelten.
Recht so! aber wenn am wichtigsten Punkte plötzlich das eine Welschwort als unvermeidlich, einzigbrauchbar hervortritt, weshalb soll ich dann nicht den Beweis Engel contra Engel bei tausend anderen vermeintlich überflüssigen Worten verwerten? Und wenn in der nämlichen, zornsprühenden Abhandlung der auf jeder Zeile welschende Bismarck als einer der »sprachreinsten Schriftsteller« ausgerufen wird, weshalb werden mir dann die Einzelworte aus Bismarcks Vokabular als Zeichen der Sprachbarbarei, der Verluderung, der Verschmuddelung, ja des Gemauschels verfemt?
Jene Erklärung der Einundvierzig in den Preußischen Jahrbüchern von 1889, ein Seitenstück zum Protest der Göttinger Sieben, gehört längst der Geschichte an, kann aber bei Sprachgefahr wieder lebendig und zeitwirksam werden. Ihr eindringlicher Schluß lautet:
Sie kennen und wollen keine Reichssprachämter und Reichssprachmeister mit der Autorität zu bestimmen, was Rechtens sei. Unsere durch die Freiheit gedeihende Sprache hat nach jeder Hochflut von Fremdwörtern allmählich das ihrem Geist Fremde wieder ausgeschieden, aber die Wortbilder neuer Begriffe als bereichernden Gewinn festgehalten. Darin soll sie nicht verarmen.
Den maßvollen Satzungen des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins laufen zahlreiche Beiträge in den Vereinsorganen und der übergroße Eifer vieler Vertreter zuwider, welche das Heil der Sprache im Vernichtungskriege gegen das Fremdwort suchen und durch sprach- und sinnwidrige Schnellprägung von Ersatzwörtern Schaden anrichten und Unwillen herausfordern.
Die Unterzeichneten wollen in diesen Fragen da stehen, wo die freien Meister der Sprache, unsere Klassiker standen. Darum verwahren sie sich gegen die Anrufung staatlicher Autorität und gegen die bestehende Geschäftigkeit der Puristen, die nach Jakob Grimms Wort an der Oberfläche der Sprache herumreuten und wühlen.
Zu den Unterzeichnern gehörten: Gustav Freytag, Fontane, Paul Heyse, Hopfen, Jordan, Spielhagen, Wildenbruch, Curtius, Gneist, Haeckel, Harnack, Mommsen, Schmoller, Delbrück, Sybel, Virchow, Wilamowitz, Zeller, – und ungeschrieben neben ihren Namen, aber doch für Geisteraugen erkennbar, stehen Schiller, Goethe, Herder, Wieland, stehen Schopenhauer, Nietzsche und Vischer, steht Bismarck, der nicht besonders zu unterschreiben brauchte, was in der Sprachfülle seines ganzen Lebens längst unterschrieben war.
Aber unser Vorkämpfer hadert noch heute mit den Unterzeichnern. In seiner Stilkunst rückt er ihnen die »Dreistigkeit« vor, sich für die ärgsten eigenen Sprachsünden auf unsere Klassiker zu berufen und sich ausdrücklich auf deren Seite zu stellen. Wo standen denn diese Klassiker? fragt Engel: »Mitten im 18. Jahrhundert, der deutschen Franzosenzeit unserer Sprache.« Eine Gegenfrage, Meister Angelicus: wann schrieb wohl Goethe sein Abwehrgedicht gegen die hundert Sprachtyrannen? mitten im 18. Jahrhundert? und da wußte er schon von Napoleon auf Helena? ahnte aber nicht das Muster der Sprachreinheit in Fichtes Reden von 1808? Seltsame Verknotung der geschichtlichen Folgen; da werden wir wohl umlernen müssen!
Mir will es übrigens scheinen, daß der Sprachverein seit den Zeiten jener Erklärung seine eigenen Wege gegangen ist, mit Vorsätzen, die sich von denen des Kämpen Engel merklich unterscheiden. Nach mancherlei Irrungen und Wirrungen hat sich der Verein zu Methoden emporgeläutert, denen wir zwar Vorbehalte, aber nicht mehr unbedingte Ablehnung
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