Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
Vom Netzwerk:
jüngsten Tage –, Bismarck – – – mauschelte . Und wer das noch nicht weiß, der sollte sich darüber durch die gestrengen Herren aufklären lassen. Man glaube mir, daß ich hier weder erfinde, noch übertreibe: auf erschrockene Anfragen ist der Bescheid in diesem Sinne tatsächlich ergangen und zwar auf Grund der identischen Gleichung: »fremdwörteln« gleich »mauscheln«. Ich füge sofort hinzu, daß im Einzelfalle mildernde Umstände zugebilligt werden. Man macht ein Kredit- und ein Debet-Saldo auf und untersucht, ob das Guthaben stark genug ist, um die Belastung zu ertragen. Das wird denn auch im Bescheide als eine Erfreulichkeit festgestellt: wer im Stande ist, ein Deutsches Reich zu gründen, wie Bismarck, oder einen Faust zu schreiben, wie Goethe, der darf auch das Recht beanspruchen, ein wenig zu fremdwörteln, zu mauscheln. Jeder Mindere aber, so wird hinzugefügt, wie z. B. der Geschichtsforscher Ranke, muß in seinen Schriften zugrunde gehen, dieweil er, Ranke, sich nicht auf germanisch ausdrückte, sondern auf platt-jiddisch.
    Bei Bismarck stehen die »Gedanken und Erinnerungen« für die Beurteilung im Vordergrund. Diese, bei Cotta herausgegeben, nicht von der Eingebung des Augenblicks beeinflußt, wie etwa eine Parlamentsrede, sorgsam gefeilt und redigiert, geben das Maß für das Sprachgefühl des Eisernen Kanzlers. Und jeder, der das Werk gelesen hat – wer hätte das nicht? –, jeder weiß, daß es in Fremdworten geradezu schwelgt. Einer mag fünfzehn Stück auf der Druckseite zählen, einer fünfundzwanzig; – wichtiger wäre es, zu ermitteln, welche sonst gebräuchlichen Fremdworte bei Bismarck nicht vorkommen. Ich glaube, die Mehrheit ist vertreten; und noch dazu eine Unzahl der weniger geläufigen, wie Contagion, Capitis diminutio, Parti pris, Proselytismus, videlicet, promiscue, saturiert, realiter, ab irato, Connubium, a limine und so fort ins Unzählbare. Die Tatsache ist jedenfalls nicht zu bestreiten, und läßt man hier Gedankentiefe und Vorzüglichkeit des Stils außer Ansatz, um lediglich nach der Menge der Fremdausdrücke zu rechnen, so ergibt sich, daß Bismarck in der Vermischung von Deutsch und Nichtdeutsch kaum vom Fürsten Pückler-Muskau übertroffen wird.
    Es würde sich empfehlen, eine Stunde lang in Bismarcks Werk zu lesen und sich dann sofort die nachstehende Stelle vorzuhalten, die ich einer neueren, sehr temperamentvoll abgefaßten Werbeschrift entnehme. Ich zitiere wörtlich:
In Deutschland gibt es wohl keine verächtlichere Benennung einer Sprachgemeinheit als Mauscheln . So sage man mir, welcher sprachwissenschaftlicher Unterschied zwischen Mauscheln und Welschen ist! Der hochdeutsche oder jiddische Mauschler durchsetzt sein deutsches Gemauschel mit hebräischen Brocken: ist etwa Hebräisch, die Sprache der Bibel, weniger vornehm als Mönchslatein und Berlinfranzösisch ? Und was die vielgerühmte unentbehrliche Nüankßierung der bekanntlich nüankßenarmen deutschen Sprache betrifft, so erkundige man sich bei den Kennern des jiddischen Gemauschels, ob sich mit solchen Knoblauchsblüten im Rosenstrauß wie Nebbich, Chuzpe, Stike irgend ein Wort selbst in dem grenzenlos reichen Welsch völlig »deckt«? Die Ekelhaftigkeit der Mauschelei besteht in der Verschmutzung, die sie in das von ihr verschleimte Deutsch bringt. Dem gesunden, nun gar dem feinhörigen Sprachgefühl klingt jede regelmäßige Sprachverschmuddelung wie Mauscheln, und ich empfehle allen Ernstes, schon der Abwechslung wegen, so oft wie tunlich statt Fremdwörteln zu sagen: Mauscheln. Es klingt nicht schön, es soll nicht schön klingen; aber es klingt wahr und ist wahr.
    Also steht es in dieser Werbe- und Kampfschrift. Wer eben von den kraftvollen Gedankengängen Bismarcks herkommt, wird dieser saftstrotzenden Stelle ein besonderes Verständnis entgegenbringen: Und setze man neben Bismarck einige andere Sprachmeister und Gedankenformer größten Formates, so wird sich dieses Verständnis noch vertiefen. Vor dem inneren Auge entwickelt sich ein parnassisches Ghetto gestikulierender, fremdländisch näselnder Gestalten, als ein komisches Zerrbild, dem jedoch ein sehr ernsthafter Kommentar gebührt.
    Und in dieser Erklärung würde dem Jiddisch eine ganz andere Bedeutung zuzuweisen sein, als sie der Vorredner ahnt. Was ihm als ein Angriffspunkt für Schimpf und Hohn, als ein knoblauchsduftender Gegenstand des Ekels erscheint, gehört in Wirklichkeit zu den Wurzeln germanischer

Weitere Kostenlose Bücher