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Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Das Geheimnis der Sprache (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sprache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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daß jede Bereicherung durch ein gutes neues Deutschwort als preiswerter und festzuhaltender Gewinn zu gelten hat –, daß aber die Sprache an sich tausendmal mehr anderer Gewinne bedarf, die nicht in dieser Linie liegen und die uns abgesperrt werden, wenn man diese Linie als die alleingültige eigensinnig verfolgt.
    Hochgerechnet bleiben in jenem Register zwei- bis dreihundert Wörter bestehen, die als wirklicher, restloser Ersatz der entsprechenden Fremd- oder Internationalformen auftreten können. Das ist immer noch sehr erheblich, sehr ermutigend zu weiteren Anstrengungen, aber doch verschwindend im Verhältnis zu den hunderttausenden von Ausdrücken, die der Sprache noch fehlen und die sie wird erobern müssen, um im Wettbewerb mit den Gedanken durchzuhalten. Und was die Restlosigkeit der Lösung betrifft, so hapert es damit bedenklich, selbst bei vielen Musterbeispielen, etwa bei der von Goethe geformten »Auflebung« für Renaissance. Lassen wir den erlaubten Anspruch des Deutschwortes ganz außer Betracht, so wird man es getrost anwenden können, wo sich kein Gegengrund erhebt, und wir haben dann ein schönes Deutschwort mehr, also sicherlich einen Gewinn. Aber die Gegengründe sind vorhanden. Denn bei Frühauflebung, Spätauflebung, Hochauflebung tritt sofort ein physiologischer Doppelsinn hinzu, der – im Gegensatz zu Früh-, Spät- und Hochrenaissance – eine bedenkliche Unklarheit hineinträgt. Ganz abgesehen davon, daß wir, um diesen Sinn von »Auflebung« zu verstehen, zuvor erfahren müssen, daß überhaupt von Künsten und Wissenschaften die Rede ist. Weil ja auch ein einzelner Mensch, ein politisches Bekenntnis, ein Irrtum und eine verschollene Brutalität wieder aufleben kann, weil renaissance durchaus nicht gleichbedeutend mit resurrection, während die Renaissance ohne erklärende Zutat die Eindeutigkeit bewahrt. Hier besteht also der Gewinn nicht in der Verdrängung, sondern in dem Doppelt für Einfach.
    Der Ausdruck »Satzbruch« (von Engel 1917 selbst erfunden) ist vortrefflich und eine Freude für jeden, der das Wort »Anakoluth« vermeiden will. Als Gegenstück bietet er den »Satzdreh« für »Inversion«. Aber macht diese an sich beifallswerte Form die »Inversion« überflüssig oder entbehrlich? Man befrage darüber die Gelehrten, die in der Kombinations- und Funktionentheorie mit »inversen« Dingen arbeiten. In jenem Register steht die Bemerkung: Uhland sagte schwäbisch: »Hinterfür.« Nun soll aber das nämliche »Hinterfür« auch die Übersetzung für »Palindrom« werden, und schon daraus folgt, daß mindestens die eine Verdeutschung auf Hinkefüßen läuft.
    Die Ausdehnung eines ganzen Buches müßte man zur vollständigen Analyse des Registers in Anspruch nehmen, aber wenige Seiten würden genügen für die Aufzählung der bedingungslos gültigen Sprachschöpfungen, die Bereicherung waren und zugleich das entsprechende Auslandswort ohne Rückstand ausmerzten oder beseitigen dürften. Genannt seien nach der vorliegenden Quelle: Bildhauer für Skulptor, Brennpunkt (Harsdörfer 1651) für Focus, Menschenrecht (Schiller), Kupferstich für Gravure, Mitwirkung (Campe)für Cooperation, Mundart (Zesen, Schottel, von Campe erneuert) für Dialekt, Idiom, Lohndiener (Campe) für Lakai, Liebesbrief (Zesen) für Billet doux, Leidenschaft (Zesen) für Passion, Königtum (Wieland 1792), Kernspruch (Zesen), herkömmlich (Campe) für traditionell, Heldentum (Wieland) für Heroismus, usw.
    Viele sogenannte Lehnwörter mit Fremdklang fehlen mit gutem Grunde, denn durch ihre Übersetzung wäre verraten worden, daß sie sich nicht übersetzen lassen. Wie steht es z. B. mit »Magnet«? Man hat dafür »Segelstein« oder »Nordstein« vorgeschlagen; nur daß er bis auf verschwindende Ausnahmen kein Stein ist, mit dem Segeln nur sehr oberflächlich zusammenhängt und daß seine sonstigen physikalischen Äußerungen bedeutsamer sind, als seine Einstellung in die Nordlinie. Aber viel richtiger ist es ja auch nicht, wenn uns hier statt »Pogrom« »Raubmord« und statt »Bolschewismus« »Umsturz« angeboten wird. Und soll man es für Ernst nehmen, daß unser Autor aus der erfolgreichen Umbildung Campes »Stelldichein für Rendezvous« die Berechtigung für die Neuform »Fragmichwas« statt Konversationslexikon herleitet?
    Tatsächlich, durch solche sprachliche Purzelbäume wird die von ihm vertretene Sache nur kompromittiert, und das verdient sie nicht, denn sie ist vom Standpunkt der Ehrlichkeit

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