Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
suchten den Gleichklang, wurden eins in ihrem Verlangen nacheinander. Als er sich endlich in ihr verströmte, entschlüpfte Sidonia ein Schrei, den er mit tiefem Seufzen beantwortete. Dann sanken sie erschöpft auseinander und spürten getrennt dem stillen Abfluten der Begierde nach.
Würde er immer diese Leidenschaft für sie empfinden? Was, wenn sie die Lust aneinander eines Tages verlören, so beiläufig wie ein Greis die Haare und ein Kind seine Milchzähne? Ein Kind. Sidonia öffnete die Augen und starrte in das Dunkel des Zimmers. Ein Frösteln kroch über ihren nackten Rücken, obwohl sie dicht beieinanderlagen.
»Gabriel, warum ist mein Schoß unfruchtbar?«, flüsterte Sidonia tonlos und fühlte, wie die schmelzende Hitze zwischen ihnen erstarb. Im Reden welkte die Erinnerung an die Lust und schmeckte schal.
Gabriel seufzte leise. » Querida , du hast einen blühenden, wunderschönen Leib. Es besteht kein Grund, die Hoffnung aufzugeben.«
Sidonia biss sich auf die Lippen. »Worauf soll ich noch hoffen? Ich habe so viel getan. Zur Heiligen Jungfrau gebetet, den Zyklus des Mondes beobachtet, um den Zeitpunkt zur Zeugung zu bestimmen, wie du geraten hast, und deine Arzneien aus Goldlack geschluckt. Seit Wochen trinke ich einen Sud aus Frauenmantel, Storchschnabel und Gundelrebe …«
Gabriel hob erstaunt die Brauen. »Dieses Rezept stammt nicht von mir.«
Sidonia schlug schuldbewusst die Augen nieder. »Ich habe es von einer Kräuterfrau.«
Gabriel schwieg kurz. »Du meinst hoffentlich keine zweifelhafte Drecksapothekerin?«
Sidonia schüttelte hastig den Kopf. »Nein. Die Kräuter stammen von einer Konventsbegine am Blaubach. Sie heißt Catlyn und stammt aus England. Dort war sie Nonne und für ihre Heilkunst bekannt, vor allem bei Frauenleiden.«
»Catlyn aus England … seit wann kennst du sie?«
Seine Frau räusperte sich verlegen. »Mein Bruder Lambert hat sie im Herbst aus London hergeschickt und mich gebeten, auf sie Acht zu geben. Sie ist eine Glaubensverfolgte.« Nach einer Pause setzte sie hinzu: »Ähnlich wie du.«
»Nicht jede verfolgte Seele ist auch eine fromme Seele, Sidonia.«
»Oh, sie betet, sie betet erstaunlich viel. Es scheint ihr ganzer Trost.«
Misstrauisch runzelte Gabriel die Stirn. »Verschweigst du mir etwas?«
»Was sollte ich verschweigen? Alle Welt weiß, dass die papsttreuen Katholiken in Scharen vor König Heinrich fliehen, der die Klöster auflöst und jeden mit Hinrichtung wegen Hochverrats bedroht, der ihn nicht als erstes Oberhaupt der Kirche anerkennt. Catlyns Orden hat sich geweigert, mehr weiß ich nicht.«
Gabriel seufzte wieder. »Nun gut. Sollte deine tapfere kleine Nonne sich tatsächlich so gut mit Fruchtbarkeitsmedizin auskennen, dann hat der König einen Fehler gemacht. Er hat noch immer keinen Thronfolger gezeugt. Nur darum hat er sich von Katharina nach acht oder neun Fehl- und Totgeburten getrennt und mit Rom gebrochen. Ein ganzes Volk stürzt er wegen der Schwäche seiner Lenden in einen blutigen Glaubenskrieg!«
Sidonia richtete sich gereizt auf. »Mich interessieren weder die Politik noch Englands Thron! Immerhin haben beide Königinnen diesem Wüstling ein gesundes Mädchen geschenkt. Catlyn sagt, dass Katharina und Anne neben Gebeten gewisse Tränke dabei halfen.«
»Sie kennt sich anscheinend nicht nur mit Kräutern, sondern auch bei Hof erstaunlich gut aus, deine Catlyn. Für eine Nonne .«
Wie ertappt schlug seine Frau die Augen nieder. »Nun, sie ist keine Nonne mehr, aber mehr darf ich dir nicht sagen, ich habe es versprochen.«
»Hauptsache, sie ist keine Giftmischerin, die vorgibt, eine zaubermächtige Hexe zu sein.«
»Ich sagte bereits, sie ist sehr fromm.« Sidonia ließ sich in die Kissen zurückfallen. »Anders als ich. Wenn ein Gift helfen könnte, würde ich es nehmen, Gabriel! Mein Leib ist spröde wie der einer Greisin.«
Versöhnlich küsste Gabriel ihre Schulter. »Eine Greisin könnte mich kaum so entflammen«. Sie schob ihn fort, doch er schüttelte nur den Kopf. »Wir müssen Geduld haben, die Schöpfung ist das größte Geheimnis Gottes.«
Wie endgültig das klang, wie hilflos. Trotz und Wut ließen Sidonia starr werden. »Vielleicht haben wir selber Schuld! Die Zügellosigkeit unserer Lust ist Sünde, sagt die Kirche«, platzte sie heraus.
»Ich denke, die Kirche hat noch weniger als die Politik in unserem Bett zu suchen«, erwiderte Gabriel mit aufkeimender Wut in der Stimme. Sidonia kämpfte gegen
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