Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Parfümkugeln und ließen sie absichtlich zerplatzen, sodass sich der Geruch von gebratenem Fleisch mit dem betörenden Duft von Rosen und Jasmin mischte. Farbiger Rauch und balsamische Hölzer verdampften in Kupferkesseln, und glühende Kohlebecken erwärmten die raue Winternacht. Feuerschlucker tauchten ihre Fackeln hinein, um sie sich vor ihrem jubelnden Publikum in den Rachen zu schieben, wo sie zischend verlöschten.
Die Gäste waren in ihren Kostümen von den bezahlten Narren kaum zu unterscheiden. Längst aus der Mode gekommene Hauben mit hohen Hörnern krönten Teufelsfratzen, Bischofsmützen wurden zu Bocksfüßen getragen, einige Damen wagten sich in orientalischen Schleiergewändern in die Menge, und damit keiner den anderen zu erkennen wusste, hatte van Berck am Tor Messingschalen aufgestellt, denen man seidene Larven entnehmen konnte.
Musik von Tamburinen, Trommeln, Flöten und Hörnern untermalte alle Lustbarkeiten. Van Berck überschritt einmal mehr alle Prunkverbote des Rates über die Zahl von Spielleuten und Instrumenten, die bei privaten Feiern zulässig waren. Seinem Motto SPERO IMVIDIAM – »Ich hoffe, beneidet zu werden« -, das in goldenen Lettern über seinem Hausportal prangte, wurde der Kaufmann in vollem Umfang gerecht.
Vor dem Tor drängte sich Volk aus Kölns ärmeren Gassen, um einen Blick auf das Fest zu erhaschen, das seit Tagen das Gossengeschwätz beflügelte. Van Berck verstand es zu feiern wie ein Fürst und vergaß auch die Gaffer – ob Beinschnitzer, Hundeschläger oder Kloakenfeger – nicht. Aus einem Zauberbrunnen, der über eine geheimnisvolle Pumpmechanik verfügte und mit seinem Weinkeller unter dem Hof verbunden war, floss unaufhörlich roter Burgunder und verwandelte die Gasse vorm Haus zu einem weiteren Festplatz.
Ein Fanfarenschall kündigte einen neuen Höhepunkt an. Van Bercks Knechte, denen Affenschwänze aus den Hosen ragten, flitzten durch den Hof und löschten die Laternen. Zischend schlugen silbersprühende Flammen neben der Schaubühne empor. Es erklang die sanfteste und süßeste Harfenmusik, die je gehört wurde. Sie ließ an Ekstase und Ewigkeit denken.
Mit wohligem Schaudern suchten sich die vornehmen Gäste einen Platz auf einer Tribüne, die gegenüber der Schaubühne aufgebaut war.
Unter Rufen des Staunens beobachteten sie, wie der Vorhang, der die Bühne bisher verhüllt hatte, langsam zur Seite gezogen wurde. Goldenes Licht ergoss sich über den Rand des Brettergerüstes.
Amor kniete in einer Landschaft aus Silber anbetend neben Psyche, deren schwarzes Haar von Rosen durchflochten war und bis auf ihre Hüften hinabfloss. Am Saum ihres granatroten Gewandes blitzten Edelsteine in allen Farben. Der Gott der Liebe trug schwanenweiße Flügel und eine Toga über silbernen Beinlingen. Seine Armbrust war auf Psyches Herz gerichtet.
Verzückt klatschten einige Zuschauer in die Hände.
»In wenigen Augenblicken sind wir von diesem albernen Spektakel erlöst«, knurrte Amor in Psyches Richtung. »Ich hätte nie geglaubt, dass Vater so dreist sein könnte, uns der ganzen Welt als Liebespaar zu verkaufen. Neben seinen Waffen.« Angewidert betrachtete er die aufgepflanzten Schwerter um sie herum.
Lunetta blickte unbewegt nach vorn.
»Wirklich. Es tut mir leid, dass mein Vater dir diese Rolle aufgezwungen hat«, murmelte Lambert wie um Verzeihung bittend.
Lunetta blinzelte kurz. »Wie kommst du darauf, dass dein Vater mich zu irgendetwas zwingen kann? Ich stehe freiwillig hier.«
Lambert verzog spöttisch den Mund. »Sag nur nicht, du bist einem Gecken in Röckchen und Engelsflügeln verfallen? Du hast einen besseren Geschmack und mehr Stolz. Also, warum spielst du meine Psyche?«
»Du würdest es mir doch nicht glauben.«
»Einen Versuch ist es wert.«
Lunettas Gesicht gefror zur Maske. »Ich bin hier, um dich zu beschützen«, sagte sie leise.
»Um mich zu beschützen?« Der bittere Schatten eines Lächelns flog über Lamberts Gesicht. »Was geht dir nur jetzt wieder durch diesen Kindskopf, kleine Gräfin? Deine Fürsorge ist reizend, aber an mich verschwendet.«
Lunetta wandte kaum merklich den Kopf und blickte ihn an. »Gestern Nacht hatte ich einen Traum. Eine … Eingebung.« Sie stockte, dann fuhr sie beherzt fort. »Catlyn ist gefährlich. Frag mich nicht, warum, aber ich weiß es jetzt.«
Sie sah, wie Amor vollkommen erstarrte, dann lachte er hart.
»Glaubst du, das wüsste ich nicht?«
Verblüfft erkannte Lunetta tiefe Verbitterung in
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