Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
sein«, fauchte Lunetta.
»Ich muss leider so abscheulich sein, denn ich bin dummerweise bereits mit Catlyn verheiratet.«
Ungläubig öffnete Lunetta den Mund. »Aber das ist unmöglich! Warum?«
»Weil ich einmal ein Herz hatte wie du.« Amor spuckte die Worte aus. »Ein eitles, schwärmerisches Jünglingsherz. Ich gefiel mir als Held, der schöne, schutzlose Mädchen rettet.«
»Dann hast du sie also einmal geliebt«, stellte Lunetta sehr leise fest.
»Nein«, sagte Lambert schroff. »Ich verwechselte nur Mitgefühl mit Leidenschaft. Eine Heirat war die einzige Möglichkeit, eine verurteilte Hure vor dem Tod am Galgen zu bewahren.«
»Ich dachte, sie sei eine Nonne«, stammelte Lunetta verwirrt.
»Catlyn war beides, und ich hielt mich für ihren Erlöser. Dir scheint es mit mir nicht anders zu ergehen.«
»Das ist nicht wahr«, protestierte Lunetta und riss den Kopf hoch. Ihre Blicke trafen sich, als prüften zwei Duellanten gegenseitig ihre Verwegenheit. »Ich lie…«
»Sag es nicht! Die Liebe ist nichts weiter als Selbstbetrug und kaum von Dauer.«
»Du irrst!«
»Nun ja, vielleicht könnte dein Vermögen den ein oder anderen vom Gegenteil überzeugen.«
Satan legte einen Pfeil in die Führungsschiene der Armbrust ein, zog die Sehne mit dem Spannhaken an. Jetzt trat der Höllenfürst mit dem Fuß den Steigbügel der Waffe herunter, sodass die Sehne in die Nuss rutschte. Der Teufel führte die Waffe zur Schulter, legte an. Schweigen sank über die Menge. Das Bogenholz knarrte.
Auf der Tribüne sprang Claas van Berck von seinem Sitz auf. »Was macht der Teufel mit der Armbrust? Ich wollte doch nur einen Ringkampf …«, rief er in hellem Entsetzen.
Lunetta riss den Kopf herum.
»Pass auf!«, schrie sie, stieß Lambert beiseite und sprang auf den Teufel zu. Sein Pfeil löste sich singend aus der gespannten Waffe, schoss auf sie zu. Mit vibrierendem Schaft traf er Lunettas Brust, genau dort, wo ihr Herz saß, und riss das Mädchen zu Boden.
3.
Sidonia schrie auf. Mit einem Satz übersprang Gabriel Zimenes die Brüstung der Tribüne, drängte sich durch die wogende, applaudierende Menge, die immer noch glaubte, einem Theaterstück beizuwohnen.
»Platz da! Maldito , macht sofort Platz, ihr Dummköpfe!«, schrie Zimenes.
Auf der Bühne riss Amor sich ein Schwert aus dem Holzboden, stürmte auf den Teufel zu, der in blankem Entsetzen auf das Mädchen am Boden starrte. Als er Amor auf sich zurennen sah, riss er sich von dem Bild des Mädchens im blutroten Kleid los, machte einen Satz und sprang ins Publikum. Die Zuschauer bildeten eine Gasse, durch die Amor ihm hinterherhechtete.
»Ah, jetzt übertreiben sie«, mäkelte ein Mann vor der Bühne.
»Ich finde es sehr lebensecht«, entgegnete eine Dame mit Vogelmaske begeistert.
»Aber van Bercks Schwiegersohn, der Spanier, spielt schlecht«, erwiderte der Mann abfällig und mit Blick auf die Bühne. »Er wirkt wie ein echter Arzt. Schau nur, jetzt zieht er den Pfeil aus Psyches Brust und verdirbt das schöne Bild.«
»Aber dieser Amor«, seufzte die Frau und reckte suchend den Kopf nach ihm.
Der Gott der Liebe stürmte mit erhobenem Schwert in die Gasse vor van Bercks Haus. Applaus brandete auch bei den armseligen Zaungästen auf. Nie hatten sie etwas Wundervolleres gesehen als den Teufel auf der Flucht vor einem rächenden Engel, dessen Schwanenflügel ihn umwehten wie einen Königsmantel.
Sie haschten nach den glänzenden Federn. Im Laufen versuchte Lambert die lästigen Schwingen abzustreifen.
»Haltet den Teufel auf!« Gellend fing sich seine Stimme im Trichter der Gasse und mischte sich mit den Anfeuerungsrufen und dem Gelächter der Gaffer. Ein Mutiger riss dem fliehenden Satan die Hörner herunter, aber Amors Flügel waren verlockender, ein jeder wollte sie berühren. Sie drangen so zahlreich auf Lambert ein, dass der Teufel in Richtung der Glockengasse entkommen konnte.
»Verflucht!«, schrie Lambert, riss sich die Flügel von den Schultern, wehrte die Gaffer ab und drehte sich um. Lunetta, er musste zu Lunetta. Bei Gott, was hatte er dem Mädchen angetan. Mit seinen Worten, mit seinem Spott, mit seiner ganzen verdammten Kälte. Er jagte die Gasse zurück zum Gehöft seines Vaters. Der wilde Lauf sandte reißende Schmerzen durch seinen Körper bis hinein in sein Herz, das er lange nicht so deutlich gespürt hatte.
Im Hof empfing ihn brausender Applaus – ganz wie er einem Gott gebührte. Doch diesmal galt der Beifall allein Psyche.
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