Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
seiner Stimme. »Sie ist das durchtriebenste Miststück, das mir je begegnet ist. Seit ich sie kenne, hasse ich die Frauen«, stieß er heftig hervor.
Eine Falltür brach im Bühnenboden auf. Mit lautem Kreischen entstiegen ihm schwarze Wesen, krochen umher wie Insekten. Ganze Schwärme von Gespenstern, Moorgeistern, Grabwürmern und Leichen sprangen von der Bühne ins Publikum. Geschrei und Gelächter waren die Folge, als die Zuschauer die bezahlten Narren erkannten, die sich hinter der Bühne von Faxenmachern in ungeheuerliches Getier verwandelt hatten.
Auf der Tribüne sprangen einige Zuschauer von den Bänken.
»Dein Bruder ist ein sehr zorniger Gott der Liebe. Diesem Sauertopf könnte sogar Tringin widerstehen«, wisperte Gabriel Sidonia neben sich zu, die – gegen ihren Willen von dem schönen Bild ergriffen – nach seiner Hand getastet hatte.
Jetzt schlug sie danach. »Bring mich nicht zum Lachen.«
»Aber dafür ist euer Karneval doch gemacht«, raunte Gabriel.
Sidonia biss sich auf die Lippen. »Lambert steht vor allem da oben, um Vater zu besänftigen.«
Sie drehte sich kurz zu Claas van Berck um, der mit steinerner Miene nach vorn starrte. »Nie zuvor habe ich ihn so toben hören wie gestern Nacht, als er erfuhr, dass Catlyn Lamberts Braut ist. Er hat gedroht, sie zu töten und Lambert zu enterben. Das Gesinde hat den Auftritt sehr genossen.«
»Er scheint sich gefasst zu haben.«
»Er sinnt angestrengt darüber nach, wie sich die Verlobung wieder lösen lässt.«
»Was ich ihm nicht verdenken kann, ma vida. Diese Catlyn gefällt mir immer weniger.« Suchend blickte er sich im Hof um, wo sich die Menge vor der Bühne drängte und mit den Höllengeburten kämpfte. Er entdeckte Catlyn im Kostüm der Jagdgöttin Diana. Die Begine hatte ihre silberne Maske über die kurzen blonden Locken zurückgestreift und rang mit einem Dämon. »Sie hat die Beginentracht mit Wonne abgestreift und sich erstaunlich schnell von dem Angriff auf der Gasse erholt«, knurrte Gabriel.
»Du bist eben ein guter Arzt«, entgegnete Sidonia.
»Für den Schnitt hätte es nicht mal einen Bader gebraucht. Vermutlich hat sie ihn sich selbst zugefügt, um ihrem Bräutigam auf die Sprünge zu helfen. Ihre ganze Geschichte von einer angeblichen Totenwache am Alten Markt war sehr dünn …«, er pausierte kurz, »und bei der Untersuchung stellte ich fest, dass sie schwanger ist.«
Zu seiner Verblüffung blieb seine Frau ruhig und gefasst, lächelte sogar. »Schwanger! Die Glückliche.«
Ihre Hand stahl sich unter seine Pelzschaube und drückte seine Rechte. »Ach, Gabriel, als sie an der Tür so verzweifelt deinen Namen schrie, befürchtete ich das Schlimmste für dich!«
»Das Schlimmste war, dass mich auf dem Berlich statt einer Hure mit gesegnetem Leib nur ein paar Spitzbuben erwarteten, die mir meinen Mantel raubten«, seufzte Gabriel. »Ich habe ihn sehr gemocht.«
»Das kommt davon, dass du nicht auf mich gehört hast«, neckte ihn Sidonia. »Aber was zählt der Verlust eines Mantels. Du kannst nicht ahnen, wie glücklich ich war, als du gestern Nacht endlich zurückkamst.«
Gabriel rutschte dichter an sie heran und tauchte seinen Mund liebkosend in ihr Haar. »Du hast es mir in unserem Bett eindrucksvoll bewiesen, mi corazón. Ein Hoch auf den Mönchspfeffer. Selten warst du leidenschaftlicher. Ich sehne mich nach einer Wiederholung.«
»Mit Freuden«, murmelte Sidonia unter züchtig niedergeschlagenen Lidern, während sich spitzbübische Grübchen in ihre Wangen malten. Sie hob den Blick voll Zärtlichkeit. »Aber am Mönchspfeffer liegt es nicht. Gabriel, ich weiß nun, warum ich all die Jahre kein Kind empfangen konnte. Mir hockte ein lastender Alb auf der Brust, doch nun ist er gebannt.«
Ihr Mann zog verblüfft den Kopf zurück. »Was meinst du?« Der schrille Misston von Sackpfeifen unterbrach sie. Der Teufel selbst entstieg der Falltür auf der Bühne und verneigte sich tief vor dem Publikum.
»Ssscht!« Sidonia legte einen Zeigefinger an die Lippen. »Später. Jetzt gleich kommt der Angriff auf Amor.«
Gabriel riss die Augenbrauen hoch. »Ein Angriff auf den Gott der Liebe? Wer hat sich das ausgedacht?«
»Der Pfarrer von Sankt Kolumba. Er meinte, man müsse unbedingt das Böse darstellen, das der Leidenschaft zwischen Verliebten innewohnt.«
»Pfaffen«, schnaubte Gabriel und zog seine Frau enger an sich.
Auf der Bühne ließ Amor seufzend die Armbrust sinken, die er bislang auf Psyches Herz gerichtet
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