Das Geheimnis der toten Vögel
wir etwas mehr rausgekriegt, was den Mann von Värsände angeht. Wir haben die Leute in der Umgebung befragt, und mehrere von ihnen haben angegeben, dass sie Besuch von einem Bilderverkäufer gehabt hätten. Einem kleinwüchsigen, dunkelhaarigen Mann. Im Haus von Berit Hoas war ein Bild, das sie offenbar von ihm gekauft hatte. Auf dem befanden sich Fingerabdrücke, und zwar in der Farbe selbst. Unsere Techniker haben eine erste Untersuchung der Abdrücke gemacht, das ist gar nicht leicht, aber Mårtenson interessiert sich besonders für so was, und er sieht eine Übereinstimmung der Abdrücke in mehreren Punkten. Aber die letztendliche Antwort wird wohl noch auf sich warten lassen. Immerhin haben wir eine Hypothese, mit der wir arbeiten können. Ein Nachbar in Värsände meinte, jemanden auf dem Einödhof des Heimatvereins gesehen zu haben, und hat gerufen. Daraufhin ist ein Mann nach hinten zur Schmiede verschwunden und war dann weg.«
23
Maria dachte an Emil und konnte sich nicht länger beherrschen. Sie wusste nicht mehr, wie oft in der letzten Stunde ihr Handy aus der Tasche und wieder hinein gewandert war. Sie wollte nicht stören, konnte aber keine Ruhe finden, ehe sie wusste, wie es ihm ging. Sie wählte die Nummer und erreichte Schwester Agneta. Emil schlief. Das Fieber war wie schon zuvor bei etwa achtunddreißig Grad.
Die neu gebaute Anlage am Meer leuchtete wie ein riesiger weißer Möwenschiss in der Nachmittagssonne. Maria betrachtete abschätzig den pompösen Eingang und fragte sich, was es denn war, das diese ablehnenden Gefühle in ihr weckte. Das Ungerechte daran, dass man sich einen Platz vor allen anderen Behandlungsbedürftigen kaufen konnte? Die schnellere Diagnose, die schnelle Behandlung? Doch wenn man selbst die Chance hätte, für Geld die Schmerzen in seiner Hüfte loszuwerden und wieder zur Arbeit gehen zu können, würde man es dann nicht tun? Wer würde denn schon darunter leiden? Es würde ja jemand anders den Platz in der Warteschlange der Kassenpatienten bekommen, und man würde wieder arbeiten und seine Steuern bezahlen können.
»Vigoris Health Center« stand auf einem protzigen Neonschild an der weiß verputzten Wand über dem Eingang. Links, hinter der niedrigen, frisch gepflanzten Hecke, konnte man einen Pool-Bereich einsehen, eine Badelandschaft im Mittelmeerstil mit Bar und Sonnenstühlen. Rechts lag ein Restaurant mit japanischer Atmosphäre und ein Blumengeschäft mit kunstvollen und sicher sehr teuren Blumenarrangements. Maria Wern konnte nicht anders, als von der exklusiven Einrichtung des Empfangs in rosa Marmor und Mahagoni beeindruckt zu sein. Die Schwester hinter dem Tresen trug ein hellgrünes Kleid, eine weiße Bluse und ein Halstuch, wie eine Stewardess. Das Haar war zu einer eleganten Frisur hochgesteckt. Genauso die anderen Krankenschwestern. Gut gekleidet. Sanfte Stimmen. Angenehme Bewegungen. Keine Eile. Hohe Absätze, die über den Fußboden trippelten. Man wartete nur darauf, dass der Kapitän des Flugzeugs sich in voller Uniform mit goldenen Flügeln auf dem Revers zeigen würde. Doch er tauchte nicht auf, und die männlichen Ärzte, die vorbeiliefen, schienen die Kleiderordnung völlig übersehen zu haben, denn sie eilten in Holzclogs und zerknitterten weißen Kitteln durch die Flure.
Maria fragte nach Jessika Wide, und die Empfangsdame bat sie, Platz zu nehmen und einen Moment zu warten. Nach zehn langen Minuten wurden sie durch die Anlage zur Impfambulanz geleitet und dann weiter in einen großen hellen Konferenzraum, in dem dunkelblaue Ledersessel um einen Rauchglastisch standen. Das Erste, was Maria auffiel, waren die seltsamen und sicher teuren Kunstwerke an den Wänden. Stacheldraht und ausgefranste Stoffstreifen in Symbiose mit dicken Farbschichten, die mit grobem Pinsel aufgetragen waren. Hätte scheußlich sein können, war es aber nicht. In der Verrücktheit steckte etwas Durchdachtes und Ansprechendes.
Am Schreibtisch saß eine Dame um die fünfzig. Sie stand auf und kam auf sie zu. Ihre ganze Körperhaltung strahlte Charme und Sicherheit aus. Das aschblonde Haar war zu einer gewagten Frisur mit Schlagseite nach rechts geschnitten. An einer Halskette hing die Lesebrille, und sie trug ein schwarzes, mit weißen Kreidestrichen gestreiftes Kleid und ein weißes Tuch. Beim Gedanken, dass dies Jessika Wide sein sollte, die die Mails am Tag nach dem Kneipenabend geschrieben haben sollte, konnte Maria nur mühsam ein
Weitere Kostenlose Bücher