Das Geheimnis der toten Vögel
hören. »Wenn man rechtzeitig dafür gesorgt hätte, dass es Medikamente zur vorbeugenden Behandlung gibt, dann hätte das alles nie passieren müssen. Aber wir bezahlen ja diese unfähigen Beamten mit unseren Steuergeldern. Hier ist Jessika. Sie müssen nicht in der Tür stehen bleiben, kommen Sie doch rein, und setzen Sie sich.«
Eine rothaarige Frau um die dreißig betrat den Raum. Sie hatte langes Haar, das in einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden war. Die Frisur betonte das herzförmige Gesicht. Ein schönes Gesicht wie aus der Werbung, das an Gesundheitspflege und rotwangige Äpfel denken ließ.
»Wir würden gern mit Jessika allein reden.« Maria sah das Missfallen in Viktoria Hammars Gesicht. Jessika schrumpfte unter dem autoritären Blick zusammen und wurde zu einem gehorsamen Schulmädchen, das sich bei der Lehrerin melden und um Erlaubnis bitten musste, das Zimmer verlassen zu dürfen.
»So arbeiten wir«, sagte Hartman. Er schien keinerlei Bedürfnis zu empfinden, sich zu erklären. Er erwartete Respekt.
Sie entschieden sich für eine Bank hinter dem Restaurant, außer Hörweite des Servicepersonals. Das war der Wunsch von Viktoria Hammar, die verhindern wollte, dass die Polizei auf ihrem Gelände in Erscheinung trat. Selbst wenn sie in Zivil gekleidet waren, könnte sie doch jemand erkennen und sich fragen, was das Vigoris Health Center mit der Polizei zu schaffen hatte. Natürlich drückte sie es nicht so aus, doch das war der Hintergrund ihrer Gedanken.
»Die Einrichtung hier ist wirklich schick. Es muss schön sein, in so neuen Räumen zu arbeiten.«
»Ja, und trotzdem haben die jeden Türrahmen ausgewechselt. Vorher war es Eiche, und dann kam Frau Hammar auf die Idee, dass Kirschbaumholz schöner wäre. Von einem Tag auf den anderen, nur so aus einer Laune heraus. Das war unglaublich nervig, denn die Handwerker waren überall gleichzeitig zugange, aber jetzt ist es Gott sei Dank fertig.«
Nach ein paar allgemeinen Phrasen kamen sie auf Sandras Tod zu sprechen. Jessika Wide weinte, ohne sich das Gesicht zu bedecken. Die großen grauen Augen füllten sich mit Tränen und liefen über. Maria reichte ihr ein Papiertaschentuch, doch sie trocknete sich das Gesicht nicht damit ab. Stattdessen knüllte sie das Papier in ihrer Hand zu einem Ball. »Sandra war meine beste Freundin hier in der Klinik. Ich kann das nicht verstehen. Ich kann es einfach nicht begreifen …«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, waren Sie auch in Ihrer Freizeit viel zusammen.« Maria konnte nicht umhin, zu Hartman zu schauen, als sie die Frage stellte. Sein Gesicht verriet nichts von der E-Mail, die er gelesen hatte. »Wissen Sie, ob es einen Mann in ihrem Leben gab? Einen Freund oder noch mehr als das?«
»Weiß nicht, aber ich glaube schon. Der Grund für die Trennung von Lennie war wohl, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte. Das war so offensichtlich. Sie antwortete kaum, wenn man sie ansprach, schlich sich davon, um mit ihrem Handy zu telefonieren, und wenn man in die Nähe kam, beendete sie das Gespräch sofort. Genau so, wenn sie am Computer saß. Wenn man reinkam, wechselte sie das Programm. So was merkt man. Ich habe es ihr gegönnt. Lennie war nichts für eine Frau wie Sandra. Die beiden passten irgendwie nicht zusammen. Sie hatte Allgemeinbildung und war intellektuell. Ich glaube, sie hielt ihn manchmal für einen ziemlichen Dünnbrettbohrer und schämte sich, wenn er Dummheiten sagte. Und er spürte das wohl. Ich glaube, man muss stolz auf den sein, mit dem man zusammen ist, damit es auf Dauer hält.«
»Wissen Sie, in wen sie verliebt war?«
»Nun ja.« Jessika holte Luft und sah ängstlich aus. »Ich kenne jemanden, der Sandra mochte. Aber ich bin mir nicht sicher, es ist nur eine Vermutung.«
»Es kann dennoch von Bedeutung sein. Was glauben Sie, wer es war?«
»Reine Hammar hatte eine Schwäche für sie. Manchmal schickte er ihr Blicke zu, die … Ach, Sie können sich nicht vorstellen, wie verliebt er war. Ihm fielen tausend Gründe ein, um in ihrem Zimmer herumscharwenzeln zu können. Er hat sich sogar die Haare schwarz gefärbt, weil sie gesagt hat, sie würde dunkelhaarige Männer mögen.« Jessika lachte, doch bald ging das Lachen in einen erneuten Weinanfall über. »Er ist der Klinikchef hier und mit Viktoria Hammar verheiratet. Mein Gott, das kommt doch wohl nicht heraus, dass ich das gesagt habe, oder? Einmal war er bei
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