Das Geheimnis der toten Vögel
Lächeln unterdrücken. Menschen sind nicht immer das, was man bei ihrem ersten Anblick glauben möchte. Doch dass die Frau, die jetzt gerade vor ihnen stand, die Vorteile und Hinterteile von Männern in den Worten, die sie eben in den E-Mails gelesen hatte, beschrieben haben sollte, das war nachgerade absurd.
»Victoria Hammar, Managing Director hier im Vigoris Health Center.« Die Chefin also, übersetzte Maria für sich selbst. Warum konnte sie das nicht auf Schwedisch sagen? Ich bin die Chefin der Klinik. »Sie suchen Jessika Wide. Vielleicht kann ich in der Zwischenzeit helfen, Ihre Fragen zu beantworten. Jessika wird gleich mit ihrer Arbeit fertig sein und dann herkommen. Wenn ich richtig informiert bin, sind Sie von der Polizei. Worum geht es denn?« Viktoria lud sie mit einer Geste ein, sich am Tisch niederzulassen.
»Wir haben die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass eine Ihrer Angestellten, Sandra Hägg, heute Morgen tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde.«
»Das musste ich heute früh von ihrer Schwester Clary erfahren. Wie furchtbar!«
»Wir würden gern ein paar Fragen stellen.«
»Wie meinen Sie das? Glauben Sie, dass sie ermordet wurde? Dass jemand … Aber warum? Sie hielt sich nicht in solchen Kreisen auf. Ich meine, wenn man von Frauen liest, die in ihrer Wohnung ermordet wurden, dann spielt da oft Missbrauch eine Rolle, soziales Elend und na ja … Sie wissen schon, was ich meine«, fuhr Viktoria ungerührt fort, als sie Marias Gesichtsausdruck wahrnahm.
»Sandra war eine sehr kompetente Krankenschwester. Wir achten sehr genau darauf, wen wir einstellen. Das ist auch nötig, vor allem in einem Land wie Schweden, wo das Wirtschaftsklima derart destruktiv ist, dass man nicht die Möglichkeit hat, Personal auszutauschen, das sich als wirklich unzureichend erweist.« Viktoria Hammar machte eine Bewegung mit der Hand in der Luft, und ein diskretes Wesen stellte eine Obstschale und ein paar Flaschen Mineralwasser vor sie hin und verschwand wieder. »Sandra hat von Beginn an bei uns gearbeitet. Davor war sie fünfzehn Jahre im Krankenhaus angestellt, in der Infektionsklinik. Eigentlich hätten wir lieber jemanden mit einer breiteren Erfahrung gehabt, aber Sandra hatte ein sehr gewinnendes Wesen und lernte schnell.«
»Welche Arbeit hat sie hier im Zentrum gemacht?«, fragte Maria.
»Hier herrscht das Prinzip, dass alle in ihren Funktionen austauschbar sein sollten. Das macht das System weniger angreifbar. Alle Krankenschwestern sollten bei Operationen assistieren können und sich um die Patienten in der Sprechstunde kümmern können, aber auch in der Ernährungs-und Gesundheitsberatung arbeiten. Wir nehmen übergewichtige Patienten zur Pflege und Behandlung auf und erzielen dabei sehr gute Resultate. In der letzten Nummer der Ärztezeitschrift ist unsere Klinik als ein Beispiel dafür erwähnt, wie man …«
»Welche Arbeitsaufgaben hatte Sandra in der letzten Zeit?«
»Das habe ich nicht im Kopf, aber ich kann das im Laufe des Tages klären. Hier ist sehr viel zu tun, seit mein Mann, Reine, zur Beobachtung in das Sanatorium von Follingbo überstellt wurde. Wir haben nicht so viele angestellte Ärzte, sodass es spürbar ist, wenn jemand fehlt. Sehr spürbar. So ist es bei einem Privatunternehmen, das sich mit der Konkurrenz auseinandersetzen muss, während das Steuer-und Abgabensystem alles tut, um die Expansion des Betriebes im Keim zu ersticken. Man muss mit kleinen Spannen arbeiten, um gewinnbringend zu bleiben.«
Hartman unternahm einen Versuch, den Monolog zu unterbrechen, das gelang ihm jedoch nicht. Viktoria Hammar erhob die Stimme. Sie war es gewohnt, ausreden zu können. »Ich hoffe, dass er bald zurückkommen kann. Wir haben nicht genug Geld, um seine Abwesenheit zu finanzieren und jemand anders an seiner Stelle zu bezahlen. Ich kann Ihnen versichern, dass der Sozialismus auf nichts anderem basiert als auf Neid. Warum sollte man mit denen teilen, die keinen Handschlag tun? Und diese Angst vor der Vogelgrippe nimmt völlig unsinnige Formen an, die die Wirtschaft beeinträchtigen können.«
Maria konnte einen Kommentar nicht länger unterdrücken. Die Sorge um Emil hatte zur Folge, dass sie sich nicht so beherrschen konnte wie sonst. »Erstaunlich, dass Sie das sagen, ich dachte, ein Arzt denkt in allererster Linie an seine Patienten.«
»Ganz genau.« Viktoria schien weder den Unterschied zu verstehen, noch die Kritik zu
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