Das Geheimnis der toten Vögel
Florian die ganze Woche nicht gesehen – nicht seit dem Tag, an dem ich abgereist bin. Er muss sofort hingefahren und sie abgeliefert haben. Sofort, ohne es mir zu sagen. Ich bin Malerin und hatte diese Woche eine Ausstellung in Skagen.«
»Hat er die Hunde häufiger weggegeben, wenn er viel zu tun hatte?«
»Nur wenn er weggefahren ist, niemals, wenn er zu Hause war. Er würde seine Schwester nicht unnötig damit belasten. Ich mache mir solche Sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Die Leute fahren ja wie die Verrückten, und ich nehme an, dass im Sommer noch mehr Betrunkene unterwegs sind. Vielleicht hat ihn ja einer in den Graben gefahren und hat sich dann davongemacht, oder er hat einen Herzinfarkt gekriegt und ist irgendwo liegen geblieben. Ich bin wahnsinnig vor Sorge.«
»Wissen Sie, woran er gerade arbeitete?«
»Wir sprechen nur selten über die Arbeit. Er war nicht sonderlich interessiert an meiner Kunst, und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich auch nicht sonderlich für seine medizinischen Artikel interessiert habe. Aber eine Sache ist mir aufgefallen: Der Computer ist weg. Einfach weg. Der Tisch ist leer. Tastatur und Bildschirm sind noch da.« Yrsa Westberg stand vom Tisch auf und ging vor ihnen her ins Arbeitszimmer. »Ich habe noch gedacht, wie komisch, dass er den Computer mitgenommen hat, wenn er doch einen Laptop hat. Aber vielleicht ist der irgendwo in Reparatur. Der hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Allerdings hat Florian nichts erwähnt, dass etwas damit nicht in Ordnung wäre. Ich denke, das hätte er erzählt.«
Maria sah sich im Zimmer um. Vor der Verandatür hing ein seltsamer Vorhang aus Verschlüssen und Korken. Maria konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihn pfiffig finden sollte oder einfach nur entsetzlich hässlich.
»Soweit Sie wissen, hat es keinen Einbruch gegeben, oder?« Maria versetzte der Verandatür einen leichten Stoß mit der Schulter. Sie glitt auf. Draußen war ein Häufchen Späne zu sehen, und im Holzrahmen befanden sich deutliche Schnitzspuren.
»Nein.« Yrsa Westberg sah bestürzt aus. »Wir wohnen schließlich auf dem Land. Ich schließe nicht einmal mein Fahrrad ab. Hier passiert nie etwas.«
»Vermissen Sie außer dem Computer noch etwas?« Hart-. man betrachtete den Schaden an der Tür. »Sieht aus, als hätte jemand Messer und Stemmeisen benutzt.«
»Ich begreife nicht, was die mit dem Computer wollen, der ist über zehn Jahre alt. So einen kriegt man anderswo sicher geschenkt. Nein, hier scheint sonst nichts angerührt«, sagte sie, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Sparbücher noch in der obersten Schreibtischschublade lagen. »Wir haben sonst nichts Wertvolles. Ich habe nie viel für Schmuck übrig gehabt. Florians einziges Interesse ist Musik. Er hat mehrere Regale voller CDs, doch da scheint auch nichts weggekommen zu sein.«
»Sie wissen überhaupt nicht, woran er gerade arbeitete, nicht, für welche Zeitung, oder um welches Thema es sich handelte?«, fragte Maria.
»Keine Ahnung, aber Sie können die Telefonnummern von seinen Auftraggebern bekommen. Sein Adressbuch muss er mitgenommen haben, denn es liegt nicht mehr hier.«
»Hat er einen Kalender?« Hartman entdeckte das blaue Büchlein in dem Moment, als Yrsa Westberg danach griff. Sie blätterte darin herum, bis sie die Seite des aktuellen Tages fand.
»Nein, hier ist nichts eingetragen, was er diese Woche machen wollte. Warum suchen Sie ihn? Wissen Sie etwas, was ich nicht weiß?« Ihr Gesicht machte eine Verwandlung durch. »Wenn ihm etwas zugestoßen ist, dann sagen Sie mir das sofort, alles andere wäre grausam und rücksichtslos.«
»Wir wissen nicht, wo er ist«, beeilte sich Maria zu sagen. »Aber wir würden gern mit ihm sprechen, um herauszubekommen, ob er eine Frau kannte, die Sandra Hägg hieß.«
»Was meinen Sie mit ›hieß‹?« Yrsa Westberg starrte sie an. Sie sah aus wie ein Kind, das sich gestoßen hatte und jetzt keine Luft mehr bekam, in der Sekunde, ehe die Tränen kamen.
»Sandra Hägg ist tot. Wir versuchen herauszubekommen, was passiert ist. Kannte Ihr Mann Sandra?« Yrsa Westberg sank auf den Stuhl am Schreibtisch. Mit einem Mal war sie sehr blass. »Ich weiß, dass sie sich getroffen haben. Sie hatten irgendwas miteinander. Er war nicht mehr wie sonst. Überhaupt nicht. Nachts war er wach und ging ins Wohnzimmer und schlief manchmal auf dem Sofa dort. Natürlich habe
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