Das Geheimnis der toten Voegel
es abgelehnt hatte, sich ins Krankenhaus bringen zu lassen, war sie erleichtert, dass seine Frau zu Hause war. Es wäre kein gutes Gefühl gewesen, ihn allein zu lassen. Nachdem man das Mordopfer in den schwarzen Sack gehoben hatte, war Mats Eklund in Ohnmacht gefallen, einfach vor ihr zusammengesackt. Er war sehr blass und mitgenommen gewesen, und die Hände hatten schrecklich gezittert. Seine Frau hieß Jenny. Maria hatte sie schon Anfang der Woche kennengelernt – bei dem Informationstreffen zu dem Fußballcamp, für das Emil sich angemeldet hatte. Jenny war eine der Trainerinnen. Sie schien gefestigt und fürsorglich und kümmerte sich darum, dass Mats etwas Warmes zu trinken bekam und eine Decke um die Schultern.
Wieder am Tatort, notierte Maria die Fragen, die sie nicht hatte stellen können. Sie würde etwas später am Abend darauf zurückkommen müssen, wenn Mats Eklund sich etwas gefasst hatte. Maria ging zur Absperrung, die den ganzen kleinen Hof mit Wohnhaus, Schmiede, Stall und großem Vorplatz umspannte. Mårtensson war gerade dabei, die Persenning zusammenzurollen, auf der die Leiche gelegen hatte. Er versuchte, möglichst kein Blut auf seine Kleidung zu bekommen. Das Opfer schien stark geblutet zu haben.
»Er hatte keine Papiere bei sich. Es scheint, als hätte er direkt auf der Persenning geschlafen, ohne Matratze. Das muss schweinekalt gewesen sein.« Mårtensson schauderte bei dem bloßen Gedanken. »Und steinhart. Eines ist mir aufgefallen. Die Kleider scheinen selbst genäht zu sein, es gibt keine Schilder mit der Größe oder dem Hersteller.«
»Wie ist er hierhergekommen? Ist er gelaufen?« Maria sah sich nach einem Fahrzeug um, einem Auto oder einem Fahrrad, das erklären könnte, wie er sich mit seinem Gepäck fortbewegt hatte.
»Hartman hat hinten im Gebüsch ein Auto gefunden. Er ist noch dort.« Mårtensson zeigte ihr die Richtung, und sie machte sich auf den Weg. Ein paar hundert Meter weiter konnte sie Hartmans Stimme vernehmen. Neben ihm stand ein verrostetes Auto einer für Maria unbekannten Marke, ohne Radkappen und den Kofferraum nur notdürftig mit einer Schnur verzurrt. Außerdem hatte es keine Zulassungsschilder.
»Ist das sein Auto?«, fragte sie.
»Das ist anzunehmen.« Hartman öffnete mit einer behandschuhten Hand die Fahrertür und hielt die Verpackung eines Zelts und ein paar hölzerne Zeltstangen hoch. »Was hat er wohl hier gemacht? Warum war das Auto versteckt? Auf dem Rücksitz steht ein Vogelkäfig, und in dem alten Laken sind Bilder eingewickelt. Schöne Ölgemälde und ein paar Aquarelle. Im Handschuhfach liegt ein Zigarettenpäckchen mit russischer Schrift, aber keine irgendwie gearteten Papiere.«
»Haben die Nachbarn etwas gesehen?« Maria hatte mit einigen der Leute, die sich an der Absperrung versammelt hatten, gesprochen und Namen und Telefonnummern aufgenommen.
Hartman schüttelte den Kopf. »Bisher nicht. Es scheint auch niemand das Zelt bemerkt zu haben, deshalb können wir annehmen, dass es noch nicht so lange hier aufgestellt war. Die Techniker schauen sich das auch noch an. Das Gras vergilbt schnell, wenn es eine Weile lang abgedeckt ist.«
Maria wandte sich erschrocken um, als es hinter ihr im Gebüsch knackte. Es war der Kollege Ek. Nachdenklich und ohne sich im Mindesten stören zu lassen, zog er den Reißverschluss seiner Hose hoch. »Tja, man sollte meinen, dass die Bauern in der Nähe oder irgendjemand vom Heimatverein das Zelt bemerkt hätten. Das ist ja nicht gerade ein üblicher Zeltplatz. Vielleicht hat er die Regeln des Jedermannsrechts nicht richtig verstanden, das kann schon mal etwas schwierig sein. Doch in gewisser Weise scheint die Sache durchdacht. Er hat es nicht weit zum Klo gehabt.«
Nach ein paar Stunden auf der Wache rief Marias Sohn Emil an und fragte, wo sie blieb. »Du hast doch gesagt, dass du heute früh nach Hause kommst.« Wieder das schlechte Gewissen. Die Kinder. Sie hatte versprochen, mit ihnen zum Strand zu fahren, damit sie bei einem Sandskulpturenwettbewerb in Tofta mitmachen konnten. Das war ihr völlig entfallen, und jetzt war es zu spät.
Auf dem Heimweg wurde Maria klar, dass sie auch noch einkaufen musste. Der Kühlschrank war größtenteils leer, und sie hatte sich auch noch nicht überlegt, was es zum Abendessen geben könnte. Irgendetwas, nur nicht Fleischbällchen aus der Tiefkühltruhe, denn das hatten sie in dieser Woche schon zweimal gegessen. Wie waren eigentlich die Mütter gestrickt, die nach
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