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Das Geheimnis der toten Voegel

Das Geheimnis der toten Voegel

Titel: Das Geheimnis der toten Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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ihn. Nichts, was wirkt. So schlimm steht es. Dennoch gehört er zu den Glücklichen, denn es scheint, als nähme seine Grippe einen milderen Verlauf. Ich glaube, Emils Chancen, gesund zu werden, sind gut. Aber es gibt andere …«
    »Entschuldigen Sie. Ich sehe, dass Sie völlig abgearbeitet sind, und ich kann ahnen, wie höllisch es für Sie ist. Gibt es etwas, was ich für Sie tun könnte? Ich habe den Eindruck, als würden Sie rund um die Uhr arbeiten. Kann ich Ihnen mit irgendwas helfen?«
    Er sah sie forschend an. Rang mit sich. »Sie sind doch Polizistin.«
    »Ja.« Maria wusste nicht, worauf er hinauswollte.
    »Ich kann kaum glauben, dass ich Sie um das Folgende bitte, aber ich sehe keinen anderen Ausweg.« Er zögerte kurz und holte dann geräuschvoll Luft, ehe er weitersprach. »Meine Frau ist Alkoholikerin. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich dieses Wort auf sie anwende, aber so ist es.«
    Er wartete eine Reaktion von Maria ab. Was er eben offenbart hatte, war das tiefste Geheimnis seines Lebens und sein größtes Scheitern. Warum saß sie einfach da und sah ihn freundlich an, wo doch die Erde sich gerade auftat?
    Er fuhr fort. »Ich habe einen Sohn, der Malte heißt, er ist sieben Jahre alt. Im Moment weiß ich nicht, wo Malte ist, denn er ist von zu Hause weggelaufen. Meine dreiundachtzigjährige Mutter sucht in der ganzen Stadt nach ihm. Nina liegt bestimmt zu Hause und schläft ihren Rausch aus. Gibt es etwas, was Sie tun können, um ihn diskret ausfindig zu machen und ihn dann zu meiner Mutter zu bringen oder zu irgendeinem anderen vernünftigen Menschen, bis das hier alles vorbei ist? Am liebsten zu jemand anders. Nina wird fuchsteufelswild, wenn er bei meiner Mutter ist, und die ist alt und herzkrank und schafft das eigentlich alles nicht mehr. Wie Sie sehen, sitze ich selbst hier in Follingbo fest, und ich würde mich besser um meine Patienten kümmern können, wenn ich nicht ständig darüber nachdenken müsste, wie es Malte wohl geht. Am liebsten würde ich nach Hause gehen und mich um meine Familie kümmern, aber das kann ich nun mal nicht. Entschuldigen Sie, ich benehme mich total unprofessionell, aber Ihre Frage hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Vergessen Sie, was ich gesagt habe, es ist völliger Blödsinn. Ich werde versuchen, es irgendwie anders zu lösen. Ich habe kein Recht dazu, Sie als Angehörige eines meiner Patienten damit zu belasten. Entschuldigen Sie: Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
    »Ich werde tun, was ich kann. Sie kümmern sich um meinen Sohn und ich mich um Ihren. Ich werde mich mal mit einer klugen Freundin vom Sozialamt darüber austauschen, wie wir das am besten lösen. Meine Tochter ist fast genauso alt wie Ihr Sohn. Malte kann, wenn er das möchte, bei uns bleiben, bis alles geregelt ist.«
    »Ich habe kein Recht, Sie so auszunutzen. Unter normalen Umständen würde ich das niemals, niemals tun, wissen Sie das?«
    »Das hier sind keine normalen Umstände. Hier herrscht Ausgangsverbot. Ich werde von mir hören lassen, sowie ich etwas von Malte weiß. Haben Sie ein Foto von ihm?«
    »Ja.« Jonatan holte seine Brieftasche heraus und zeigte das Foto durch die Glaswand. »Er sieht Ihrem Sohn so ähnlich. Ich kann mir vorstellen, dass Emil so aussah, als er etwas kleiner war.«
    »Stimmt.« Maria spürte, wie die Unruhe in ihren Eingeweiden herumfuhr, in einem brennenden Kreislauf. Mit ihrer ganzen inneren Kraft brachte sie ihre äußere Erscheinung unter Kontrolle, lächelte und betrachtete das Foto, als wäre es ein Tag aus der Vergangenheit, als noch nichts richtig ernst oder gefährlich war. Am liebsten hätte sie geschrien und geweint und sich wie ein Kind trösten lassen, aber diese Möglichkeit gab es nicht.
    Als sie draußen im Hof war, rief Maria Hartman an und erklärte ihm die Lage. Die Hitze war fast unerträglich. Sie entschied sich, ein Taxi in die Stadt zu nehmen, um Hartman bei seiner Arbeit nicht zu behindern.
    »Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und komm wieder, wenn du kannst.« In seiner Stimme lag eine große Wärme, und wäre er in der Nähe gewesen, hätte Maria ihn vor lauter Dankbarkeit ganz fest umarmt.
     
    Ein trauriger kleiner Junge saß auf der Mauer unten beim Café Sankt Hans, seine Kappe umgedreht auf dem Kopf, und warf mit kleinen Steinen nach den Tauben. Seine Großmutter hatte gesagt, dass er dort gern hinging, wenn er weggelaufen war und Hunger bekam. Es gibt immer nette Menschen, die einen kleinen Jungen, wenn

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