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Das Geheimnis der toten Voegel

Das Geheimnis der toten Voegel

Titel: Das Geheimnis der toten Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Platz in der Warteschlange der Kassenpatienten bekommen, und man würde wieder arbeiten und seine Steuern bezahlen können.
    »Vigoris Health Center« stand auf einem protzigen Neonschild an der weiß verputzten Wand über dem Eingang. Links, hinter der niedrigen, frisch gepflanzten Hecke, konnte man einen Pool-Bereich einsehen, eine Badelandschaft im Mittelmeerstil mit Bar und Sonnenstühlen. Rechts lag ein Restaurant mit japanischer Atmosphäre und ein Blumengeschäft mit kunstvollen und sicher sehr teuren Blumenarrangements. Maria Wern konnte nicht anders, als von der exklusiven Einrichtung des Empfangs in rosa Marmor und Mahagoni beeindruckt zu sein. Die Schwester hinter dem Tresen trug ein hellgrünes Kleid, eine weiße Bluse und ein Halstuch, wie eine Stewardess. Das Haar war zu einer eleganten Frisur hochgesteckt. Genauso die anderen Krankenschwestern. Gut gekleidet. Sanfte Stimmen. Angenehme Bewegungen. Keine Eile. Hohe Absätze, die über den Fußboden trippelten. Man wartete nur darauf, dass der Kapitän des Flugzeugs sich in voller Uniform mit goldenen Flügeln auf dem Revers zeigen würde. Doch er tauchte nicht auf, und die männlichen Ärzte, die vorbeiliefen, schienen die Kleiderordnung völlig übersehen zu haben, denn sie eilten in Holzclogs und zerknitterten weißen Kitteln durch die Flure.
    Maria fragte nach Jessika Wide, und die Empfangsdame bat sie, Platz zu nehmen und einen Moment zu warten. Nach zehn langen Minuten wurden sie durch die Anlage zur Impfambulanz geleitet und dann weiter in einen großen hellen Konferenzraum, in dem dunkelblaue Ledersessel um einen Rauchglastisch standen. Das Erste, was Maria auffiel, waren die seltsamen und sicher teuren Kunstwerke an den Wänden. Stacheldraht und ausgefranste Stoffstreifen in Symbiose mit dicken Farbschichten, die mit grobem Pinsel aufgetragen waren. Hätte scheußlich sein können, war es aber nicht. In der Verrücktheit steckte etwas Durchdachtes und Ansprechendes.
    Am Schreibtisch saß eine Dame um die fünfzig. Sie stand auf und kam auf sie zu. Ihre ganze Körperhaltung strahlte Charme und Sicherheit aus. Das aschblonde Haar war zu einer gewagten Frisur mit Schlagseite nach rechts geschnitten. An einer Halskette hing die Lesebrille, und sie trug ein schwarzes, mit weißen Kreidestrichen gestreiftes Kleid und ein weißes Tuch. Beim Gedanken, dass dies Jessika Wide sein sollte, die die Mails am Tag nach dem Kneipenabend geschrieben haben sollte, konnte Maria nur mühsam ein Lächeln unterdrücken. Menschen sind nicht immer das, was man bei ihrem ersten Anblick glauben möchte. Doch dass die Frau, die jetzt gerade vor ihnen stand, die Vorteile und Hinterteile von Männern in den Worten, die sie eben in den E-Mails gelesen hatte, beschrieben haben sollte, das war nachgerade absurd.
    »Victoria Hammar, Managing Director hier im Vigoris Health Center.« Die Chefin also, übersetzte Maria für sich selbst. Warum konnte sie das nicht auf Schwedisch sagen? Ich bin die Chefin der Klinik. »Sie suchen Jessika Wide. Vielleicht kann ich in der Zwischenzeit helfen, Ihre Fragen zu beantworten. Jessika wird gleich mit ihrer Arbeit fertig sein und dann herkommen. Wenn ich richtig informiert bin, sind Sie von der Polizei. Worum geht es denn?« Viktoria lud sie mit einer Geste ein, sich am Tisch niederzulassen.
    »Wir haben die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass eine Ihrer Angestellten, Sandra Hägg, heute Morgen tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde.«
    »Das musste ich heute früh von ihrer Schwester Clary erfahren. Wie furchtbar!«
    »Wir würden gern ein paar Fragen stellen.«
    »Wie meinen Sie das? Glauben Sie, dass sie ermordet wurde? Dass jemand … Aber warum? Sie hielt sich nicht in solchen Kreisen auf. Ich meine, wenn man von Frauen liest, die in ihrer Wohnung ermordet wurden, dann spielt da oft Missbrauch eine Rolle, soziales Elend und na ja … Sie wissen schon, was ich meine«, fuhr Viktoria ungerührt fort, als sie Marias Gesichtsausdruck wahrnahm.
    »Sandra war eine sehr kompetente Krankenschwester. Wir achten sehr genau darauf, wen wir einstellen. Das ist auch nötig, vor allem in einem Land wie Schweden, wo das Wirtschaftsklima derart destruktiv ist, dass man nicht die Möglichkeit hat, Personal auszutauschen, das sich als wirklich unzureichend erweist.« Viktoria Hammar machte eine Bewegung mit der Hand in der Luft, und ein diskretes Wesen stellte eine Obstschale und ein paar Flaschen Mineralwasser vor sie hin und verschwand wieder.

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