Das Geheimnis der toten Voegel
»Sandra hat von Beginn an bei uns gearbeitet. Davor war sie fünfzehn Jahre im Krankenhaus angestellt, in der Infektionsklinik. Eigentlich hätten wir lieber jemanden mit einer breiteren Erfahrung gehabt, aber Sandra hatte ein sehr gewinnendes Wesen und lernte schnell.«
»Welche Arbeit hat sie hier im Zentrum gemacht?«, fragte Maria.
»Hier herrscht das Prinzip, dass alle in ihren Funktionen austauschbar sein sollten. Das macht das System weniger angreifbar. Alle Krankenschwestern sollten bei Operationen assistieren können und sich um die Patienten in der Sprechstunde kümmern können, aber auch in der Ernährungs- und Gesundheitsberatung arbeiten. Wir nehmen übergewichtige Patienten zur Pflege und Behandlung auf und erzielen dabei sehr gute Resultate. In der letzten Nummer der Ärztezeitschrift ist unsere Klinik als ein Beispiel dafür erwähnt, wie man …«
»Welche Arbeitsaufgaben hatte Sandra in der letzten Zeit?«
»Das habe ich nicht im Kopf, aber ich kann das im Laufe des Tages klären. Hier ist sehr viel zu tun, seit mein Mann, Reine, zur Beobachtung in das Sanatorium von Follingbo überstellt wurde. Wir haben nicht so viele angestellte Ärzte, sodass es spürbar ist, wenn jemand fehlt. Sehr spürbar. So ist es bei einem Privatunternehmen, das sich mit der Konkurrenz auseinandersetzen muss, während das Steuer- und Abgabensystem alles tut, um die Expansion des Betriebes im Keim zu ersticken. Man muss mit kleinen Spannen arbeiten, um gewinnbringend zu bleiben.«
Hartman unternahm einen Versuch, den Monolog zu unterbrechen, das gelang ihm jedoch nicht. Viktoria Hammar erhob die Stimme. Sie war es gewohnt, ausreden zu können. »Ich hoffe, dass er bald zurückkommen kann. Wir haben nicht genug Geld, um seine Abwesenheit zu finanzieren und jemand anders an seiner Stelle zu bezahlen. Ich kann Ihnen versichern, dass der Sozialismus auf nichts anderem basiert als auf Neid. Warum sollte man mit denen teilen, die keinen Handschlag tun? Und diese Angst vor der Vogelgrippe nimmt völlig unsinnige Formen an, die die Wirtschaft beeinträchtigen können.«
Maria konnte einen Kommentar nicht länger unterdrücken. Die Sorge um Emil hatte zur Folge, dass sie sich nicht so beherrschen konnte wie sonst. »Erstaunlich, dass Sie das sagen, ich dachte, ein Arzt denkt in allererster Linie an seine Patienten.«
»Ganz genau.« Viktoria schien weder den Unterschied zu verstehen, noch die Kritik zu hören. »Wenn man rechtzeitig dafür gesorgt hätte, dass es Medikamente zur vorbeugenden Behandlung gibt, dann hätte das alles nie passieren müssen. Aber wir bezahlen ja diese unfähigen Beamten mit unseren Steuergeldern. Hier ist Jessika. Sie müssen nicht in der Tür stehen bleiben, kommen Sie doch rein, und setzen Sie sich.«
Eine rothaarige Frau um die dreißig betrat den Raum. Sie hatte langes Haar, das in einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden war. Die Frisur betonte das herzförmige Gesicht. Ein schönes Gesicht wie aus der Werbung, das an Gesundheitspflege und rotwangige Äpfel denken ließ.
»Wir würden gern mit Jessika allein reden.« Maria sah das Missfallen in Viktoria Hammars Gesicht. Jessika schrumpfte unter dem autoritären Blick zusammen und wurde zu einem gehorsamen Schulmädchen, das sich bei der Lehrerin melden und um Erlaubnis bitten musste, das Zimmer verlassen zu dürfen.
»So arbeiten wir«, sagte Hartman. Er schien keinerlei Bedürfnis zu empfinden, sich zu erklären. Er erwartete Respekt.
Sie entschieden sich für eine Bank hinter dem Restaurant, außer Hörweite des Servicepersonals. Das war der Wunsch von Viktoria Hammar, die verhindern wollte, dass die Polizei auf ihrem Gelände in Erscheinung trat. Selbst wenn sie in Zivil gekleidet waren, könnte sie doch jemand erkennen und sich fragen, was das Vigoris Health Center mit der Polizei zu schaffen hatte. Natürlich drückte sie es nicht so aus, doch das war der Hintergrund ihrer Gedanken.
»Die Einrichtung hier ist wirklich schick. Es muss schön sein, in so neuen Räumen zu arbeiten.«
»Ja, und trotzdem haben die jeden Türrahmen ausgewechselt. Vorher war es Eiche, und dann kam Frau Hammar auf die Idee, dass Kirschbaumholz schöner wäre. Von einem Tag auf den anderen, nur so aus einer Laune heraus. Das war unglaublich nervig, denn die Handwerker waren überall gleichzeitig zugange, aber jetzt ist es Gott sei Dank fertig.«
Nach ein paar allgemeinen Phrasen kamen sie auf Sandras Tod zu sprechen. Jessika Wide weinte, ohne sich
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