Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
Kristallklinge.
    Als die Männer aufeinandertrafen, kreischten ihre traumgeborenen Waffen wie lebende Wesen. Der Statur nach hätte man den Lehrer und den Hausmeister für zwei Kegelbrüder halten können, doch sie fochten mit der Geschicklichkeit von kampferprobten Rittern.

    Wie Blitze zuckten die Schwerter durch den Raum. Mit unglaublicher Kraft hieb Huber auf die Waffe seines Gegners ein. Okumus war gezwungen vor dem Wüterich zurückzuweichen. Leo fürchtete, dessen glasklare Klinge könnte zerspringen. Doch sie hielt allen Schlägen stand, schien sogar bei jedem Zusammenprall mit heller Stimme zu singen. Er sah sich nach seinem Freund um. In den Schatten, wo die Bestien ihn abgeladen hatten, rührte sich nichts. Hoffentlich war er nicht von den Glassplittern getroffen worden. Während der Kampf zwischen Huber und Okumus hin und her tobte, tippelte Leo mit winzigen Schritten durch den Raum. Vielleicht konnten er und Benno sich gegenseitig befreien.
    Einmal mehr wendete sich im Gefecht der Schwertkämpfer das Blatt. Huber taumelte zurück, fiel, rollte sich auf seinem dafür bestens geeigneten Bauch ab und kam wieder auf die Beine. Was schon wie die drohende Niederlage aussah, entpuppte sich als List. Überraschend schleuderte der Hausmeister eine vom Boden aufgenommene Ladung Staub in die Luft. Die feinen Körnchen verwandelten sich flugs in ein Netz, das sich über den Lehrer warf, der gerade zu einem mächtigen Hieb ausholte. Kaum hatte es dessen Körper umhüllt, erstarrte es zu einem festen Tonpanzer. Okumus sah aus wie ein chinesischer Terrakottakrieger.
    Ein schabendes Geräusch ließ Leo herumfahren. Wegen der gefesselten Füße war er noch nicht weit gekommen. Nun sah er sich einer neuen Gefahr gegenüber. Einige Bestien hatten überlebt. Das Blut aus ihren Wunden glänzte im Laternenlicht. Stöhnend und wankend erhoben sie sich. Ein Hyänenschwein, das ihm ganz nahe war, hatte soeben seine Streitaxt vom Boden aufgehoben. Die Augen der Kreatur funkelten ihn aus dem Halbdunkel böse an.

    Ohne rechte Hoffnung auf eine glückliche Wendung blickte er zu dem Lehrer in der Tonkruste. Huber holte gerade mit dem Schwert aus, um seinen Gegner zu enthaupten. Jetzt ist alles aus , dachte Leo.
    Unvermittelt platzte der Terrakottapanzer auf. Es sah aus, als explodiere der ganze Mann. Tonscherben zischten durch die Luft. Mehrere trafen den Hausmeister. Der schrie vor Schmerz, seine Schwerthand sackte nach unten. Okumus beendete, so als hätte jemand bei einem gestoppten Video wieder auf die Play-Taste gedrückt, seinen mächtigen Hieb.
    Die rasiermesserscharfe Spitze des Kristallschwertes streifte Hubers Brust und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Er sank auf die Knie. Sein Gesicht war eine blutige Fratze. Völlig entgeistert starrte er seinen Kontrahenten an. Der holte gerade zum letzten Streich aus. Leo kniff die Augen zu, weil er nicht mit ansehen konnte, wie der Hausmeister seinen Kopf verlor. Ein dumpfer Schlag war zu hören. Überrascht sah Leo wieder hin.
    Okumus hatte den Alten nicht enthauptet, sondern ihn nur zu Boden geschlagen. Jetzt näherte er sich mit erhobenen Armen und rief: »Duck dich!«
    Leo reagierte sofort. Er hatte im Wechselbad der Gefühle ganz das Hyänenschwein vergessen. Eine Axt sauste über ihn hinweg.
    Der Ordinarius schleuderte sein Schwert. Die Kristallklinge wirbelte fast zehn Meter weit durch die Halle und traf die Kreatur in der Brust. Sie brach jaulend zusammen. Okumus winkte seinem Schüler aufgeregt zu. »Komm schnell zu mir! Meine Luzide schwindet. Ich kann es nicht mehr lange aufhalten.«
    Von der Decke rieselte Putz in Leos Kragen, jedenfalls nahm er das an. Ihm war nicht ganz klar, was der wackere Osmund genau meinte, doch er tat sein Bestes. Wie beim Sackhüpfen hopste er auf den Mann zu. Überall um sie herum tanzten Staubschleier
in der Luft. Was passierte da? Aus den Augenwinkeln sah er das letzte Aufgebot der Hyänenschweine. Gerade formierte es sich neu. Sie versuchten einen Ring um die Menschen zu bilden.
    Der Schüler stolperte in die ausgebreiteten Arme seines Lehrers.
    »Halt dich fest«, sagte Okumus.
    Leo spürte einen Ruck, als er jäh nach oben gerissen wurde. Sein Retter hob mit ihm ab wie eine Rakete. Kurz bevor sie gegen die Decke knallten, zerbröselte diese wie ein trockener Keks. Leo kniff die Augen zu. Die feinen Körnchen glitten ihm wie Schmirgelpapier übers Gesicht. Dann waren sie hindurch.
    Als er die Lider wieder zu heben wagte, lag die verlassene

Weitere Kostenlose Bücher