Das Geheimnis der versteinerten Traeume
gedacht, dass er viel zu beschäftigt für so was ist.« Leo spielte nur den verbitterten Sohn. Insgeheim freute er sich über die Nachricht.
»Ich glaube, du tust ihm Unrecht. Mag ja sein, dass er dir zu wenig Zeit gewidmet hat, seine Sorge jedenfalls wirkte auf mich echt. Würde mich auch wundern, wenn’s anders wäre. Zwei Kripobeamte waren bei euch zu Hause. Hofften wohl, dich dort zu finden. Sie haben deinen Eltern von dem Mordverdacht erzählt und dass du nach deiner Festnahme geflohen bist. War nicht ganz leicht, deinen Vater zu beruhigen, zumal ich nicht frei sprechen konnte – die Polizei hört wegen dir unser Schultelefon ab. Aus dem Hintergrund meldete sich bei dem Gespräch
übrigens die Stimme deiner Mutter. Sie sagte: ›Leo ist viel zu klug, um solchen Unsinn anzustellen. Ist nur ein bisschen erschrocken der Junge und hat sich weggeduckt. Wenn er wiederauftaucht, wird er seine Unschuld beweisen.‹«
Leo zog den Mundwinkel hoch. »Sie hält mich für einen zweiten Leonardo da Vinci.«
»Ach, daher der Name! Nun, auf deine besondere Weise bist du das wohl sogar. Übrigens habe ich deinen Eltern versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten. Anschließend bin ich in ein Internetcafé gegangen und schickte einem Hamburger Freund eine schriftliche Nachricht für sie. Ich teilte ihnen mit, dass ich dich aus der Schusslinie genommen habe, weil ich von deiner Unschuld überzeugt bin.«
»Vielleicht kann ich mich bei ihnen melden, falls das ohne die Lauscher von der Kripo geht.«
»Unbedingt! Mein ehemaliger Kommilitone in Hamburg wird dir helfen.«
»Haben viele Eltern ihre Kinder von der Schule geholt?«
Okumus nickte. »Der Schwund ist so stark, dass wir mehrere Klassen schließen mussten. Als Folge habe ich etliche Kollegen beurlaubt.«
»Sie?«
»Der Stiftungsrat hat mir komissarisch die Leitung der Traumakademie übertragen.«
»Dann scheint Robert Zaki Sie nicht zu verdächtigen.«
»Du meinst, weil er den Bock zum Gärtner gemacht hat? Bei ihm hat das nichts zu bedeuten. Dieser Mensch ist voller Tücken. Direktor Dabelstein war in meinen Augen ein Mann ohne Fehl und Tadel. Kaum lässt er Zweifel an der Sicherheit der YourDream-Technologie erkennen, stirbt er auf mysteriöse Weise. Mir könnte es genauso ergehen.«
»Sie wollten mir verraten, wie Sie Huber auf die Schliche gekommen sind.«
»Richtig. Die Antwort ist einfach. Die veränderten Umstände lassen mich nun offiziell tun, was ich im Verborgenen schon immer getan habe: Ich halte meine Augen und Ohren jederzeit offen. Nicht ganz zufällig habe ich daher auch Hubers Telefonat mit dir belauscht. Ich bin ihm bis zur Brauerei gefolgt, wo er sich in einen Klartraum versetzt hat und mir entwischen konnte. Deshalb war ich nicht sofort zur Stelle, als es für euch brenzlig wurde. Das mit Kowalski geht mir ziemlich an die Nieren. Sich mit Zaki einzulassen war ein Fehler.«
»Das dachte ich auch. Andererseits – vielleicht hätte ich genauso gehandelt. Der König hat Benno erpresst.«
»Manchmal müssen wir im Leben entschieden Nein sagen, obwohl es ernste Konsequenzen hat. Es gab und gibt Menschen, die lassen sich lieber erschießen, als selbst eine Waffe in die Hand zu nehmen.«
»Wir sind Jugendliche, Herr Okumus, keine Helden.«
»Für Zivilcourage gibt es keine Altersbeschränkung.«
Wieder schwiegen die beiden einige Kilometer lang. Leo fühlte, wie die Verzweiflung ihn zu übermannen drohte. Er kam sich vor wie Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlenflügel. Refi Zul war so mächtig. Und so rücksichtslos. Ein eiskalter Massenmörder. Leo brauchte nur die Augen zu schließen und schon sah er Orlas Gesicht. Er vermisste sie so sehr!
»Was machen wir jetzt?«, fragte er schließlich. »Zul muss für den gemeinen Verrat an Orla und ihrem Vater bestraft werden. Außerdem darf er nicht so weitermachen. Falls der illúsische Ring zerfällt, könnte das den Untergang der Menschheit bedeuten. Selbst wenn es nicht so weit kommt – YourDream beutet
Millionen Ahnungslose aus, zapft ihre gesamte Traumenergie ab, macht sie zu Seelenkrüppeln. Das muss aufhören.«
»Herzlich willkommen im Unsichtbaren Kreis.«
Leo zuckte die Achseln. »Was heißt das?«
»Wir versuchen schon lange, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Für ein Häuflein Entschlossener ist es nur ziemlich schwierig, gegen Zul und seine Geheime Schlafpolizei anzukommen.«
»Das letzte Traumtor ist zerstört. Müsste das den König nicht schwächen?«
»Es bricht
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