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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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kroch über das Bettlaken und stieß gegen ein Hindernis. Es war nicht ganz so fest wie ein Räucherschinken, deutlich nasser und ziemlich glitschig. Als es sich unter seiner Berührung plötzlich bewegte, riss er die Augen auf.
    Neben ihm lag eine Meerjungfrau.
    Schreiend fuhr er aus den Kissen hoch. Erstes Morgenlicht sickert durch die Fensterläden, was die Inaugenscheinnahme der Nixe erleichterte. Sie hatte lange schwarze Haare, die nur unzureichend ihre nackten Brüste bedeckten. Vom Bauchnabel an abwärts war sie ein Fisch.
    Die Seejungfer schrie ebenfalls, richtete sich zum Sitzen auf, drückte sich ängstlich an die Wand und zappelte gehörig mit dem schuppigen Schwanz, der zum Fliehen auf trockenem Land kaum taugte. Leo war da schon besser dran und zog sich im Krebsgang zur Bettkante zurück.

    Durch den Lärm wachte nun auch Benno auf, knipste seine Nachttischlampe an und stimmte in das Gebrüll mit ein. Nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, fing er an zu lachen. »Jetzt kriegst du Ärger«, prustete er. »Damenbesuch auf der Bude ist den Schülern strengstens verboten.«
    Leo fiel aus dem Bett. Weil es ihm an Fettpolstern mangelte, war die Landung auf dem Hinterteil recht schmerzhaft. Die Heiterkeit seines Freundes brachte ihn in Rage. »Das ist nicht witzig. Und es ist kein Traum, falls du das denkst.«
    Benno wurde schlagartig ernst. »Nicht?«
    »Nein. Die Nixe ist echt.« Leo stand auf und rieb sich den Hosenboden.
    Der Rotschopf richtete seine Lampe wie einen Suchscheinwerfer auf die Meerjungfrau.
    Ihre Augen leuchteten algengrün auf, ehe sie abwehrend den rechten Arm hob. Gleichzeitig verstummte sie.
    »Wow! Das sind ja Aussichten«, staunte Benno. Sein Blick klebte an der Nixenbrust, die unter dem erhobenen Arm durch den Vorhang ihrer blauschwarzen Haare schimmerte.
    Leo fand die Äußerung ziemlich daneben. Irgendwie fühlte er sich schuldig am Missgeschick der gestrandeten Seejungfer, denn er hatte in der letzten Nacht von ihr geträumt. Sie schien noch recht jung zu sein, dem Gesicht nach zu urteilen kaum älter als er. Schnell warf er die Bettdecke über ihre Blöße.
    Plötzlich flog die Tür auf. Aufgeregtes Geflüster drang ins Zimmer und Durs Huber stürzte herein. Mit ausgestrecktem Arm hinderte er Mark »Laurel« Schröder daran, ihm zu folgen. Der reckte neugierig den Hals, doch Leos Kleiderschrank versperrte ihm die Sicht auf die Seejungfer. Hatte der Flüpo Alarm geschlagen?
    Im ersten Moment sah der Hausmeister wohl nur den Kopf
der Nixe, die sich die Daunendecke bis zum Kinn hochgezogen hatte. Ein verängstigtes Mädchen im Bett eines Schülers, dachte er vermutlich und wirkte dementsprechend entsetzt. Sein Schnauzbart wölbte sich wie bei einem Walross vor, als wolle er gleich lospoltern. Dann bemerkte er den großen Fischschwanz, der unter dem anderen Ende der Decke hervorlugte, und schlug dem Flügelleiter die Tür vor der Nase zu.
    »Was ist das?«, keuchte Huber. Er deutete mit zitternder Hand auf die Seejungfer.
    »Also, wenn man das nicht checkt«, sagte Benno und verdrehte die Augen.
    Der Hausmeister schnappte nach Luft.
    »Gleich kollaboriert er«, kommentierte der Rotschopf.
    »Du meinst, kollabieren?« Leo schlug das Herz bis zum Hals. Er fürchtete, der Alte könnte tatsächlich einen Kollaps kriegen.
    »Wie…?« Huber blinzelte. »Wie kommt dieses Wesen hierher?«
    »Ich glaube, das ist meine Schuld«, erklärte Leo zerknirscht. »Sie muss mir aus dem Traum gerutscht sein.«
    Der Mann sah ihn nur entgeistert an. Jemand rüttelte hektisch an der Türklinke. »Da gibt’s nichts zu sehen. Geht auf eure Zimmer«, rief der Hausmeister.
    »Ich bin’s. Machen Sie auf, Huber!«, verlangte von draußen eine energische Stimme.
    Benno stöhnte. »Okkultus! Jetzt gibt’s Ärger.«
    Der Alte öffnete die Tür gerade weit genug, um den Vertrauenslehrer hereinzulassen.
    Osmund Okumus erfasste die Situation mit einem Blick. Seine Überraschung hielt sich in Grenzen. Er musterte kurz die Seejungfer, dann Leo und beugte sich in den Gang zurück, wo vielstimmiges Gemurmel auf die Anwesenheit etlicher Schüler
hindeutete. »Geht wieder ins Bett!«, rief der Tutor. »Da hat nur jemand schlecht geträumt.«
     
    Niemand konnte herein und niemand heraus. Okumus hatte die Tür zum Zimmer verriegelt und den Hausmeister angewiesen davor Posten zu beziehen. Nun näherte er sich staunend der Meerjungfrau. Neugierig erwiderte sie seine Blicke.
    »Haben Sie einen Namen, Fräulein?«,

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