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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Nieren. Ohne es zu merken, rannen ihm Tränen übers Gesicht. Sein Schmerz nahm noch zu, als ihm zu Bewusstsein kam, wie sehr dieses Wesen tatsächlich der schönen und unnahbaren Orla Flaith ähnelte. Erschrocken zog er die Hand zurück.
    Von der abrupten Bewegung löste sich eine Träne von seiner Lippe und tropfte in Bilibibbs rechtes Auge.
    Ihre Wimper zuckte.

    Er hielt unwillkürlich den Atem an und starrte gebannt auf das feenhafte Antlitz. Jetzt flimmerten beide Augenlider. Und dann hob sich ihre Brust unter einem tiefen Atemzug.
    »Ich glaube, du hast sie reaktiviert«, sagte Benno ergriffen.
    Bilibibb schlug die Augen auf. Sie sprühten vor Leben. Einen Moment lang glaubte Leo in ihnen eine ganze Welt zu sehen. Die Welt, die er sonst nur aus seinen Träumen kannte.
    Unvermittelt beugte sich die Seejungfer zu ihm hinauf und küsste ihn auf den Mund. Ebenso schnell fuhr sie im Wasser herum und verschwand mit wenigen Schwanzschlägen im See.
    »Wow!«, staunte Benno. »Du bist ja ein richtiger Bossa nova.«
    Okumus stöhnte. »Das heißt Casanova.«
    Es schien Leo, als spüre er immer noch Bilibibbs Kuss. Benommen betastete er seinen Mund und fand zu seiner Überraschung eine Schuppe auf seiner Unterlippe. Er legte sie in seine Handfläche und hielt sie ins Licht der gerade aufgehenden Sonne. Sie schillerte wie Perlmutt.
    »Cool …!«, entfuhr es Benno.
    »Halt die Klappe«, schnitt Leo ihm das Wort ab und steckte die Schuppe ein.
    »Das verschwindet nicht sang- und klanglos«, sagte Okumus. Seine dunklen Augen fixierten Leos Hosentasche, als könnten sie durch den Jeansstoff sehen. »Die Schuppe ist ein Beweisstück.«
    »Wozu das? Wollen Sie mich zur Polizei schicken?«
    »Du lieber Himmel, nur das nicht! Aber du glaubst doch nicht, ich kehre den Vorfall unter den Tisch? Wir fahren jetzt nach Salem zurück und dann berichtest du Doktor Dabelstein haarklein, was passiert ist. Er wird sich sehr für die Nixenschuppe und deine Geschichte interessieren. Ansonsten redet ihr zwei mit niemandem über die Sache. Und die Schuppe, Leo, zeigst du keinem außer dem Direktor. Haben wir uns verstanden?«

L eo saß wartend auf einer Bank vor dem Büro des Direktors und wünschte sich, alles nur als Traum in einem Traum zu durchleben. Dergleichen passierte gar nicht so selten. Oft konnte er während des Träumens sogar bewusst auf den Verlauf Einfluss nehmen oder sich, wenn es zu ungemütlich wurde, zum Erwachen zwingen. Vielleicht war er ja wirklich ein Traumschmied.
    Leider gelang es ihm nicht, den »Vorfall«, wie Okkultus es genannt hatte, ungeschehen zu machen. Grüblerisch betrachtete er das Andenken der Seejungfer in seiner hohlen Hand. Nie hatte ein Traumsouvenir solche Gefühle in ihm ausgelöst wie diese Schuppe.
    »Was hast du da?«, fragte plötzlich eine samtige Stimme.
    Leos Kopf ruckte nach oben. Fast wäre er vor Überraschung von der Bank aufgesprungen.
    Orla Flaith stand vor ihm. Sie hatte ihn angesprochen. Unfassbar!
    Er musste sich zwingen, seinen Mund zuzubehalten. Einmal mehr stellte er fest, wie recht Benno gehabt hatte. Sie ähnelte tatsächlich enorm der Seejungfer. Orlas Blick ruhte interessiert auf der schillernden Schuppe.
    Leo schloss rasch die Hand und räusperte sich, da er fürchtete,
sonst keinen Ton herauszubringen. Mit schiefem Grinsen antwortete er: »Ich hol mir meine Abreibung beim Direktor ab.«
    »Abreibung?«, hallte es wie ein Echo aus ihrem Mund. »Du meinst, wegen des Fisches?« Orlas grüne Augen schienen ihn regelrecht zu durchleuchten. Aus der Nähe fiel ihm auf, dass sie braun gesprenkelt waren, ein Detail, das er bei seiner Traumgeborenen nicht berücksichtigt hatte.
    »Welcher Fisch?«, stellte er sich unwissend. Also war die Operation Nixe doch nicht unbemerkt geblieben. Wer alles hatte die Sänftenträger wohl noch gesehen?
    Ein wissendes Lächeln umspielte den Mund des Mädchens. »Seine Schwanzflosse lugte aus der Theatersänfte heraus, die du mit dem Rotschopf, unserem Hausmeister und Herrn Okumus zu nachtschlafender Zeit weggeschafft hast. Muss ein Mordsbrocken gewesen sein. Man hätte fast glauben können, ihr schleppt eine Meerjungfrau ab … Sagt man das so auf Deutsch? Abschleppen?«
    »Na ja, nicht ganz. Du meinst wahrscheinlich wegschleppen.« Er musste unweigerlich schmunzeln. Ihr Akzent war irgendwie niedlich. Nicht so, wie normalerweise bei Leuten aus dem englischen Sprachraum. Ob ihre Muttersprache Gälisch war?
    »Sah nach einem netten Streich aus. Habt

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