Das Geheimnis der versteinerten Traeume
rumgedrückt?«, fragte Leo im verzweifelten Versuch ihnen Zeit zu verschaffen.
»Ich bin auf Weisung meines Herrn abgetaucht. ›Warte im Labyrinth, bis ich dich rufe‹, befahl er mir. Und da bin ich nun.« Das Hyänenschwein stieß sich mit den Hinterläufen ab und holte mit der Streitaxt aus. Leo und Orla zogen die Köpfe ein, eine rührend hilflose Reaktion, die ihnen in diesem Fall kaum nützen würde.
Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts Mark Schröder auf. Er war der Kreatur in die Flugbahn gesprungen und prallte mit ihr zusammen. Die Schreie der beiden vermischten sich zu einem grauenhaften Laut, der Leo das Blut in den Adern gefrieren ließ. Unmittelbar vor ihm krachten sie zu Boden. Das Hyänenschwein lag auf dem Jungen. Obwohl es grässlich röchelte, setzte es Mark mit seinen Klauen zu.
Leo wandte sich von den Kämpfenden ab, lief zum Kadaver der zuvor getöteten Kreatur und zog ihr den Igelrattenstachel aus dem Körper. Im abermaligen Herumwirbeln holte er damit aus und schleuderte die Waffe auf Galf. Auf wundersame Weise traf der eisige Dorn genau das tätowierte Vogel-Auge am Hals des Hyänenschweines. Orla versetzte dem Wächter einen Fußtritt, sodass er von Mark herunterkippte und auf dem Rücken liegen blieb. Aus seinem Unterleib ragte Refi Zuls Dolch.
Das Mädchen kniete sich neben den verletzten Jungen. Aus Marks Halsbeuge sprudelte Blut. Rasch drückte sie ihre Hand auf die Wunde. Dann rief sie über die Schulter. »Hilf mir, schnell!«
Leo taumelte zu ihr. Erst Osmund und jetzt Mark! Das war zu viel für ihn. Er spürte, wie ihm die Luzide entglitt. Während er sich zu den beiden kniete, wachte er auf. Bis auf die Halswunde hatte sein Mitschüler nur kleinere Verletzungen, überwiegend Kratzwunden von den Krallen der Bestie. Trotzdem zitterte er, als habe er Schüttelfrost. Verzweifelt schloss Leo die Augen.
»Vertraust du mir jetzt?«, fragte Mark leise. Die Schüttelkrämpfe hörten auf, nur seine schwache Stimme bebte noch.
Leo sah ihn an. »Es tut mir leid, dass ich dich falsch eingeschätzt habe.«
»Bild dir darauf nur nichts sein. Ich kann dich trotzdem nicht ausstehen.« Mark grinste. Unvermittelt verzog er unter Schmerzen das Gesicht.
»Er verblutet«, flüsterte Orla.
Leo blinzelte. Sein Blick wanderte über die Wunden des Jungen, der ihm gerade das Leben gerettet hatte. Auf einmal durchfuhr ihn ein Gefühl wie ein Stromschlag. »Das Schwein hat ihn nur mit seinen Klauen verletzt!«
Das Mädchen verdrehte die Augen. »Na und? Selbst wenn wir die Blutung stoppen, wird das Gift des Wächters ihn töten.«
»Amputiert mir doch einfach die Birne«, schlug Mark vor. Seine Augenlider flimmerten. Wusste er noch, was er da redete?
Leo schüttelte den Kopf. »Nachdem Galf mein Bein aufgeschlitzt hatte, sagtest du, eine Wunde von einem Traumgeborenen könne nur mit einem Pflaster von einem anderen Traumgeborenen geheilt werden.«
Orla schnaubte. »Ja, und wenn es so schlimm ist wie in diesem Fall, muss es von einer Schöpfung des Verletzten selbst stammen. Siehst du hier jemanden, den Mark geformt hat?«
Leos Blick wanderte zu Galfs Leiche. »Nicht jemanden, aber etwas. « Er krabbelte zu dem Kadaver, zog ihm den Eisstachel aus dem Hals. Um das Loch herum bemerkte er zwei tätowierte Ohren und einen Mund. So also hatte sich Refi Zul mit seinem Wächter verständigt. Leo wischte den blutigen Dorn am Pelz des Toten ab und brachte ihn der Illúsierin. »Hier. Benno hat die Igelratte zwar vereist, doch sie ist Marks Geschöpf. Damit kannst du ihn heilen.«
Orla starrte ihren Freund einen Moment an, als könne sie nicht glauben, was er da sagte.
Mark stöhnte. Er hatte die Augen geschlossen und begann wieder zu zittern.
Das Mädchen schnappte sich den Stachel und legte ihn auf die Wunde des Verletzten.
Marks Schüttelkrämpfe ließen sofort nach. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Kehle.
Orla blickte lächelnd zu Leo auf. »Du hattest recht. Es wirkt.«
Was der Eiszapfen tagelang nicht getan hatte, passierte jetzt: Er schmolz. Binnen Sekunden war die Blutung gestillt. Mark öffnete die Augen. »Ich sehe einen Engel. Bin ich im Himmel?«
»Sie ist meine Freundin«, knurrte Leo. Er spielte nur den eifersüchtigen Liebhaber. In Wirklichkeit stimmte ihn die wundersame Heilung seines Retters genauso glücklich wie Orla, die über das ganze Gesicht strahlte.
»Vergeude nicht alles Eis für den einen Kratzer«, sagte Mark. »Die anderen Schrammen brauchen auch …« Ihm
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