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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Klopfen aufgewacht war. Ihre Sorge um ihn tat ihm gut. Doldinger brüte immer noch über seinen Berechnungen, hatte sie berichtet.
    Leo war in der Nacht eine Idee gekommen, mit der er sich sofort an den Physiklehrer gewendet hatte.
    »Ich werde die neunundsechzig Altvorderen aufwecken«, hatte er seinen Freunden atemlos erklärt. Die versteinerten Wächter von Rapa Nui seien ihre letzte Hoffnung. Das sage nicht er, sondern der gute Dalmud habe ihn darauf hingewiesen. Refi Zul schmore in der Hölle der ungeträumten Albträume. Damit scheide er als Retter von Illúsion aus. Wenn jemand wisse, wie man seinen Fluch brechen könne, dann die Uralten der Osterinsel. Um ihnen ihre Körper aus Fleisch und Blut zurückzugeben, bedürfe es eines eigentlich unmöglichen Naturschauspiels.
    »Ich brauche eine Doppelfinsternis.«
    Die Reaktion auf seine Forderung war eher verhalten. Besonders der Physiklehrer hatte ihn angesehen, als seien bei ihm sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Erst als Leo ihm klarmachte, dass der Komet eine derartige Zwillingseklipse verursachen könne, fing Doldinger Feuer. Seitdem fütterte er seine astronomischen Simulationsprogramme mit Daten, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses zu berechnen. Außerdem hatte er einen Freund namens Udo, der in Garching bei der Europäischen Südsternwarte arbeitete, ein »Sternenjäger«, wie er ihn nannte. Udo sei ein Freak ohne Angehörige, der vermutlich bis zum Weltuntergang an seinen Monitoren sitzen werde.
    Die gute Nachricht, die Orla als Morgengruß mitgebracht hatte, war das »ärztliche Bulletin über den Gesundheitszustand des Generalfeldmarschalls«. Okumus gehe es den Umständen entsprechend gut, erzählte sie. Seine inneren Organe seien unverletzt. Frau Tidelmaier, die Schulschwester, habe die Schulterwunde genäht und ihm eine Tetanusspritze sowie ein Beruhigungsmittel gegeben. Mehr könne sie nicht für ihn tun, meinte sie.

    Ungeduldig sah Leo auf die Armbanduhr. Es war kurz vor neun. Mittwochmorgen. Rings um den Globus dachte man, der letzte Tag der Menschheit sei angebrochen. Der Komet raste immer noch auf die Erde zu. Leo hatte sich bisher geweigert, ihn aufzulösen. Ob er ins Traumlabor gehen und nach der Bohnenstange sehen sollte? Mark arbeitete fieberhaft an der von Okumus manipulierten DreamCap-Steuerung, um sie zu »entschärfen«.
    Leo schwang sich ächzend aus den Federn. Jeder Knochen tat ihm im Leibe weh. Sein Blick wanderte hinüber zu Bennos leerem Bett. Vor seinem inneren Auge sah er wieder das Bild des nach Inférnia entschwindenden Klassenkameraden. Hätte er irgendetwas tun können, um ihn zu retten? Warum überhaupt hatte sein Freund sich mit dem König in den Mahlstrom gestürzt? War es wirklich wegen eines Hundes gewesen, der – typisch Benno – den Namen eines Wolfes trug? Oder hatte Refi Zul ihn in den Wahnsinn getrieben? Benno musste furchtbare Ängste ausgestanden haben, erst um seine Eltern, dann ums eigene Leben. Leo seufzte. Es bedrückte ihn, dass eine Frohnatur wie sein Zimmergenosse jetzt als lebende Mumie durch das Reich der ungeträumten Albträume geisterte.
    Jemand klopfte an die Tür.
    »Ja?«
    Orla streckte den Kopf herein. Ihr Gesicht war ernst. »Darf ich?«
    »Na klar. Gibt’s was Neues von Doldinger?«
    Sie betrat das Zimmer und lief auf ihn zu. »Allerdings. Muss ziemlich kompliziert sein. Er sagte, ich soll dich ins Traumlabor bringen. Dort will er’s dir erklären. Er meinte, es sei dringend.« Orla nahm Leos Hand und sah ihm mit unbewegter Miene in die Augen, so wie eine Krankenschwester, die nach Anzeichen von Fieber suchte. »Wie geht es dir?«

    »Saumäßig.«
    »Wegen Benno?«
    »Auch. Warum hat Doldinger es so eilig? Der Komet hat noch nicht mal die Mondumlaufbahn passiert.«
    Sie zögerte.
    »Sag schon!«, drängte er.
    »Illúsion ist sichtbar geworden.«
    »Was?« , schnappte er. »Und damit rückst du erst jetzt raus?«
    »Ich weiß es selbst erst seit ein paar Minuten. Theresa kam gerade aus dem Traum-Chat. Sie meinte, alle Kanäle, die noch senden, berichten darüber. Auf den Satellitenbildern kann man den kompletten Ringkontinent sehen.«
    »Aber das ist ja wunderbar! Dann sind wir am Ziel!«
    »Nicht ganz«, antwortete Orla ernst. »Mein Ziehvater sagte, nicht einmal Inférnia könne uns von Refi Zuls Fluch befreien.«
    »Das Reich der ungeträumten Träume ist wieder mit dem Rest der Welt vereint. Offenbar hat unser Freund sich geirrt.«
    »Onkel Dalmud irrt sich selten.

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