Das Geheimnis der versteinerten Traeume
aufs Spiel und verlor.«
»Sei mir nicht böse, Junge, aber ich verstehe kein Wort.«
Leo holte nun weiter aus und erzählte im Telegrammstil, was er in seinem letzten Brief noch verschwiegen hatte. Am Ende der ganzen unglaublichen Geschichte war sein Vater wie vom Donner gerührt.
»Du hast den Globalen Killer erschaffen?«
»Ja.«
»Aber wie können deine Träume so etwas Riesiges hervorbringen? Du bist im Vergleich zu dem Kometen so klein.«
»Träumer sind wie Atome. Sie erscheinen winzig, doch in ihnen steckt eine große Kraft.«
»Jetzt ist mir klar, warum ausgerechnet mein Sohn den Globalen Killer entdeckt hat. Deine Mutter ist übrigens mächtig stolz auf dich.«
»Hab ich mir schon gedacht. Und was ist mit dir?«
»Ich natürlich auch. Dann gibt es also noch Hoffnung für uns?«
»Ja. Sofern ich das Geheimnis der versteinerten Träume löse.«
»Du meinst Träumer . Diese verwunschenen Wächter im Pazifik.«
»Passt beides, Papa. Es sind Refi Zuls Träume, die in den alten Moais der Osterinsel erstarrt sind. In ihren steinernen Köpfen existieren diese Visionen noch. Wenn jemand weiß, wie man den Zerfall von Illúsion stoppen kann, dann sie. Ich muss nur den Bann brechen, damit die Uralten mir helfen, den Fluch abzuwenden.«
»Und du meinst, das funktioniert?«
»Ich tue jedenfalls mein Bestes, Papa.«
Abermals klapperte es im Telefon. »Ich bin’s, Leo«, meldete sich Severinas Stimme. »Du schaffst das, Schatz. Denn mein Sohn ist ein Genie …«
Es knackte in der Leitung. Das Mobilfunknetz war zusammengebrochen.
Gegen sechs Uhr abends Mitteleuropäischer Zeit passierte der Komet die Mondumlaufbahn. Nur das Zweite Deutsche Fernsehen hatte den Sendebetrieb noch nicht eingestellt. Ein Moderatorenpaar berichtete von den weltweit chaotischer werdenden Verhältnissen. Nach und nach brach alles zusammen: Fernsehen, Rundfunk, Internet, Strom- und Wasserversorgung, Polizei und Rettungsdienste … Die wenigsten wollten bis zum Weltuntergang arbeiten. Viele Menschen hätten sich in ihr Schicksal gefügt und warteten still auf das, was da kommen würde, sagte die Sprecherin. Andere feierten auf Hochhausdächern und Berggipfeln Abschiedspartys für Mutter Erde.
Einige Wissenschaftler frönten immer noch ihrer Leidenschaft der Wissensvermehrung und teilten ihre Erkenntnis gerne mit dem schwindenden Fernsehpublikum. Bei seinem derzeitigen Tempo erfolge der Einschlag in knapp fünfeinhalb Stunden meldete die Europäische Südsternwarte gerade. Doch es gebe einen Hoffnungsschimmer, erklärte der Moderator.
»Gegen elf Uhr dreißig hat ein Meteorit den Kometen getroffen. Dadurch veränderte sich seine Flugbahn und versetzte ihn zusätzlich in eine Trudelbewegung. Nach aktuellem Wissensstand muss immer noch mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Durch das Taumeln könnte Leo allerdings haarscharf an der Erde vorbeischrammen.«
Die Kollegin des Sprechers nickte. »Und für die Bewohner der Osterinsel wird es in wenigen Minuten ein besonderes Naturschauspiel geben: eine vom Schweifstern überlagerte ringförmige Sonnenfinsternis. Die Experten sagen voraus, dass Leo das Sonnenlicht von seiner Rückseite auf den Mond zurückwerfen werde. Dadurch komme es während der Eklipse zu einer Aufhellung und zu einer zweiten Abdunkelung, wenn der Komet vor dem Erdtrabanten vorbeiziehe.«
Orla drückte auf der Fernbedienung den Ton weg. »Ist das die Nachricht, auf die du gewartet hast?«
Leo nickte.
»Dann nichts wie los! Wecken wir die alten Wächter auf.«
O rla griff nach Leos Hand. Sie standen vor der Drusenkammer. In einem steten Strom floss die Energie von Milliarden ungeträumten Träumen durch sie hindurch und trat auf der illúsischen Seite als Quell purer Schaffenskraft wieder hervor. Ab und zu sah man rötliche Entladungen auf den Kristallen rund um das Tor.
»Das kapier ich nicht«, sagte unvermittelt Theresa. Die hochgeschossene Blondine gehörte zu dem Abschiedskomitee
– Mark, Lena, Levin und einige andere Mitschüler –, das sich im Gang hinter dem Traumwandlerpaar drängte.
Leo drehte sich zu dem blonden Mädchen mit der glänzenden Zahnspange um. »Was meinst du?«
»Ihr habt erzählt, dieses Drusentor käme in einem Bergtal oberhalb von Tirza heraus. Wie wollt ihr dann in der kurzen Zeit nach Rapa Nui kommen?«
»Leo ist ein mächtiger Traumwandler«, erklärte Orla ungeduldig. »Er kann selbst entscheiden, wohin ihn ein Tor führt.«
»Verstehe ich nicht.«
»Illúsion ist aus
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