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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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durch. Mit eidgenössischer Gründlichkeit stellten sie dem in Decken eingewickelten und hinter einer großen, dampfenden
Teetasse verschanzten »Findelkind« einige Fragen zur Person und zu den näheren Umständen der Seeüberquerung.
    Leo gab sich gleich als Salem-Schüler zu erkennen. Einer der Beamten rief darauf in der Traumakademie an und ließ sich die Aussage bestätigen. Nach dem Telefonat sagte er, ein gewisser Obolus mache sich gerade auf den Weg nach Wallhausen, um den »verlorenen Sohn« heimzuholen.
    Im weiteren Verlauf des Gesprächs verzichtete Leo auf weitschweifige Erklärungen zum Themenkreis luzides Träumen. »Ich bin Schlafwandler«, war seine Standardantwort, die in den meisten Fällen passte. Die Polizisten sahen sich an, als hielten sie ihn für einen Geisteskranken. Gleichwohl trug der Protokollführer die Antworten minuziös in sein schwarzes Notizbüchlein ein. Vermutlich wurden sie nachher genauso akribisch in ein Computerprogramm zur Erfassung entsprungener Anstaltsinsassen übertragen.
    Die Gendarmen waren noch nicht lange weg, da kreuzte bereits Osmund Okumus auf. Er war mit seinem klapprigen Privatfahrzeug gekommen, einem französischen Kleinwagen, fast schon ein Oldtimer, dessen Name nur aus einem Buchstaben und einer Ziffer bestand. Leo bedankte sich bei dem Bauern nochmals für die Überlebenshilfe und stieg in die hummerrote Rostlaube.
    »Du lässt wirklich nichts aus«, sagte der Lehrer, nachdem er den Motor zum Anspringen bewegt hatte.
    Leo schwieg. Unbehaglich sah er durch die verschmierte Windschutzscheibe. Der Morgen war wolkenverhangen, genauso wie seine Laune.
    »Stimmt es, was der Landwirt gesagt hat?«
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Ich habe von euch gestern verlangt, dass ihr übers Wasser
gehen sollt und du tust es glatt. Das ist …« – Okumus rang nach Worten – »formidabel!«
    »Das bedeutet ›schrecklich‹, oder?«
    »Na ja, auch. Zumindest früher. Ein bisschen beängstigend ist es ja tatsächlich, was du da gemacht hast. Hauptsächlich finde ich es erstaunlich, großartig. Von allen Schülern, die ich bisher hatte, bist du der erste Traumwandler.«
    »Sie meinen, Schlafwandler?«
    Der Lehrer schüttelte den Kopf.
    »Oder Traumschmied?«
    »Du bist noch viel mehr als das, Leo. Stell dir eine Pyramide vor. Unten tummeln sich die Traumschmiede, die ihre Träume bewusst beeinflussen. Das kann im Prinzip jeder lernen, deshalb ist ihre Zahl vergleichsweise groß. Die Schlafverwandler stehen über ihnen. Sie versetzen Dinge aus ihren Träumen in die Wirklichkeit, was eine angeborene und sehr seltene Gabe ist. An der Spitze der Pyramide thronen die Traumwandler. Sie sind Traumschmiede, Schlafverwandler und können sich im Traum wie ein wacher Mensch frei bewegen. Für einen wahrhaft mächtigen Traumwandler gibt es keine Mauern, keine Türen, keine Entfernungen, keine Zeit – er kann überallhin gehen.«
    »Vielleicht täuschen Sie sich in mir. Es könnte eine natürliche Erklärung für das alles geben«, brummte Leo. Die Begeisterung des Ordinarius wollte nicht recht auf ihn überspringen.
    »Träumeschmieden ist natürlich, Leo, egal, wo du in der Pyramide stehst. Wir betreiben auf Schloss Salem keine Parapsychologie. Gestern Nachmittag hattest du zum ersten Mal eine DreamCap auf dem Kopf. Das war geballte Technik, angewandte Wissenschaft, aber keine Magie.«
    »Ich meinte eher was anderes.«
    »Und was bitte schön? Wie erklärst du dir, dass du abends in
dein Bett kletterst und im Morgengrauen am Ufer des Bodensees aufwachst? Auf der Schweizer Seite?«
    »Entführung.« Etwas Besseres wollte Leo auf die Schnelle nicht einfallen. Er neigte ja ohnehin zu fantasievollen Darstellungen.
    Okumus lachte. »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Wieso? Jemand könnte mich betäubt und im Kofferraum nach Wallhausen verschleppt haben.«
    »Du solltest deinen Fernsehkonsum einschränken.«
    »Ich meine das ernst, Herr Okumus.«
    »Das nehme ich dir nicht ab. Du willst nur nicht wahrhaben, was für ein außergewöhnlicher Oneironaut du bist.«
    Leo klappte den Mund zu und schmollte. Die letzte Bemerkung des Lehrers passte zu seinen Gefühlen wie der Hammer zum Nagel. Was mit ihm geschah, machte ihn weder stolz noch euphorisch. Es sprengte seine Vorstellungswelt. Es war ihm nicht geheuer.
     
    Dabelstein wirkte an diesem Morgen erschöpft und abwesend. Immer wieder blickte er zu seinem Schreibtisch, wo die Leselampe brannte, obwohl es längst heller Tag war. Hatte er

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