Das Geheimnis der Wellen
beschriftete, dachte sie daran, dass Elis Familie bestimmt schon unterwegs war.
Das war eine gute Nachricht. Das Haus war perfekt auf das Familienfest vorbereitet. So hatte sie sich von ihrem schändlichen Versagen beim Polizeizeichner wenigstens etwas ablenken können.
Ich will, dass endlich etwas vorangeht, dachte sie, als sie die Brille abnahm, die sie für feine Arbeiten und zum Lesen trug.
Ehrlich gesagt, hatte sie gehofft, etwas zur Identifizierung des Einbrechers und potenziellen Mörders beitragen zu können. Sie wollte Eli helfen, seine Probleme zu lösen. Doch das Rätsel blieb bestehen, und jetzt wurde sie das nagende Gefühl von Enttäuschung und Beunruhigung einfach nicht mehr los.
Wenigstens meine neue Schmuckserie lässt sich gut an, redete sie sich ein. Ihre Hoffnung, der Kreativitätsschub könnte ihre Blockade lösen, hatte sich jedoch nicht erfüllt.
Sie reckte und streckte sich an ihrem Arbeitstisch in dem kleinen Zimmer, räumte Werkzeug und Material in die ent sprechend beschrifteten Dosen. Sie würde die neue Serie zum Geschenkeladen bringen und sich von dem Erlös vielleicht selbst etwas Schönes kaufen.
Abra beschloss, zu Fuß zu gehen. Auf diese Weise konnte sie Narzissen und Hyazinthen bewundern, die bunten Oster eier an den Zweigen und die lebhaften Farben der Forsythien.
Sie liebte den Beginn jeder neuen Jahreszeit, sei es das erste Frühlingsgrün oder das erste winterliche Schneetreiben. Aber heute war sie so nervös, dass sie sich wünschte, sie hätte ihre Freundin Maureen zum Mitkommen überredet.
Es war albern zu glauben, sie würde beobachtet. Das war nur ein Reflex auf die Geschehnisse in Bluff House.
Und auf die am Leuchtturm, dachte sie, als sie sich um drehte, um seinen klar umrissenen weißen Lichtkegel zu be trachten. Niemand folgte ihr, trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, sich ständig umzuschauen.
Sie kannte die Häuser und die meisten ihrer Bewohner oder Eigentümer. Sie ging an der Surfside-Pension vorbei, unterdrückte ihre aufsteigende Angst und den plötzlichen Impuls, sofort kehrtzumachen und nach Hause zu eilen.
Sie würde sich nicht von ihren eigenen Gedanken ins Bockshorn jagen lassen. Sie würde nicht auf einen schönen Spaziergang in den Ort verzichten, der ihr zur zweiten Heimat geworden war.
Und sie würde nicht mehr daran zurückdenken, wie es gewesen war, von hinten gepackt zu werden.
Die Sonne schien, die Vögel sangen, der Urlaubsverkehr rauschte vorbei.
Trotzdem seufzte sie erleichtert auf, als sie den Dorf kern mit seinen Läden, Restaurants und Spaziergängern erreichte.
Sie freute sich zu sehen, dass Passanten vor dem Schaufenster des Geschenkeladens stehen blieben. Touristen, die Strandurlaub machten, Familien, die übers Wochenende herkamen wie Elis Verwandte. Sie wollte gerade hineingehen, als sie Heather hinter der Theke entdeckte.
Sie wich zurück und ging weiter.
»Mist«, murmelte sie. »So ein Mist.«
Sie hatte die Verkäuferin nicht mehr gesehen, seit diese in Tränen aufgelöst aus ihrem Yogakurs gestürmt war. Heather war seitdem nicht mehr zu den Stunden gekommen. Und Abra war einfach noch zu wütend und verärgert, um sie begrüßen zu können.
Das ist negative Energie, sagte sie sich und blieb stehen. Höchste Zeit, sie loszuwerden und ihr Chi wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Vielleicht würde sich die Blockade anschließend lösen.
Heather war so, wie sie war. Schmollen half niemandem weiter.
Abra zwang sich, umzukehren und den Laden zu betreten. Es roch gut, die Beleuchtung war angenehm, und man spürte die wohltuende Ausstrahlung des hiesigen Kunsthandwerks.
Überlass dich ganz diesem positiven Gefühl, befahl sie sich.
Sie winkte der anderen Verkäuferin beiläufig zu und sah, wie die Frau zusammenzuckte, während sie eine Kundin bediente. Anscheinend hatte Heather ihre Vorurteile auf ihre Kollegin übertragen.
Konnte man ihr das wirklich vorwerfen?
Abra ging direkt auf Heather zu und wartete geduldig, da sie bewusst übersehen wurde. Nachdem Heather einen Betrag in die Kasse eingetippt hatte, trat Abra einen Schritt vor.
»Hallo. Du hast heute viel zu tun. Ich brauche nur fünf Minuten. Ich kann warten.«
»Keine Ahnung, wann das sein wird. Wir haben Kundschaft.« Steif und verbissen ging Heather um die Kasse herum und auf drei Kundinnen zu.
Abra erstickte beinahe vor Wut. Sie atmete sie weg und griff spontan nach einem Set mundgeblasener Weingläser, die sie schon seit Wochen bewunderte, sich
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