Das Geheimnis der Wellen
Ihren, Sir. Sie hat gelitten und ist mit dem Wunsch gestorben, in ihr Geburtshaus, in den Schoß ihrer Familie zurückzukehren. Das wurde ihr verwehrt. Das werden weder ich noch meine Nachkommen jemals vergessen. Sie haben Ihren Reichtum, der Ihnen wichtiger war als das Leben Ihrer Schwester. Sie werden sie nie wiedersehen, auch nicht im Himmel. Verflucht sollen Sie sein wegen Ihres Verhaltens und ebenso alle Landons, die Ihnen nachfolgen. «
Sie legte den letzten Brief zu den anderen. »Da bin ich ganz seiner Meinung.«
»Soweit ich weiß, waren Edwin Landon und sein Vater mitleids- und kompromisslos.«
»Das sehe ich an diesen Briefen.«
»Wir wissen nicht, ob Edwin darauf geantwortet hat. Fest steht nur, dass er und Violeta im August des Jahres 1774 gesündigt haben. Fünf Monate nachdem die Calypso vor Whiskey Beach gesunken ist. Wir müssen Informationen über diesen James J. Fitzgerald einholen. Wir brauchen ein Geburtsdatum.«
»Du glaubst, dass sie schwanger war, als sie davonlief. Oder dass sie verstoßen wurde.«
»Ich glaube, das ist eine Sünde, die Männer wie Roger und Edwin Landon nicht verzeihen konnten. Angesichts der damaligen Zeit, ihres kometenhaften Aufstiegs und ihres Status war es einfach undenkbar, eine Tochter zu haben, die sich von einem Mann weit unter ihrem Stand oder gar von einem Gesetzesbrecher schwängern ließ.«
Wieder ging er zu ihr, sah sich den Brief und die Unter schrift an. »James war damals bestimmt ein äußerst verbreite ter, beliebter Name. Söhne wurden häufig nach ihren Vätern benannt.«
»Du glaubst also, ihr Liebhaber, der Seemann von der Calypso, war James Fitzgerald?«
»Nein. Ich glaube, ihr Liebhaber war Nathaniel James Broome, der den Untergang des Schiffes zusammen mit Esmeraldas Mitgift überlebt hat.«
»Broomes zweiter Vorname war James?«
»Ja. Wer immer dieser Fitzgerald war – ich wette, sie war schwanger, als sie ihn geheiratet hat.«
»Broome ist vielleicht mit ihr durchgebrannt und hat seinen Namen anschließend geändert.«
Eli fuhr sich nachdenklich durchs Haar und dachte daran, wie sie der unglücklichen Lehrerin und dem früheren Landon eine glückliche Zukunft prophezeit hatte.
»Das glaube ich nicht. Der Mann war ein Pirat, ein ziemlich berüchtigter noch dazu. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich in aller Ruhe in Cambridge niederlässt und einen Sohn großzieht, der normaler Angestellter wird. Außerdem hätte er den Landons die Mitgift niemals überlassen. Edwin hat ihn ermordet, da bin ich mir ziemlich sicher. Er hat ihn ermordet, sich die Mitgift unter den Nagel gerissen und seine Schwester verstoßen.«
»Des Geldes wegen? Am Ende wurde sie nur des Geldes wegen verstoßen und aus der Familienchronik getilgt?«
»Sie hatte einen berüchtigten Räuber als Liebhaber. Einen Mörder und Dieb, einen Mann, der sicherlich gehängt worden wäre, wenn man ihn gefasst hätte. Die Landons häuften Reichtum an, soziales Ansehen, politische Macht. Und dann ist ihre Tochter ruiniert, die sie gern mit dem Sohn einer anderen wohlhabenden Familie vermählt hätten. Unter Umständen wären sie ebenfalls ruiniert gewesen, wenn irgendwann rausgekommen wäre, dass sie einen Gesuchten bei sich aufgenommen haben oder dass sie davon wussten, dass er gesucht wird. Deshalb musste man das Problem Violeta irgendwie lösen.«
»Lösen? Lösen nennst du das?«
»Ich sage nicht, dass ich ihre Entscheidung gutheiße. Ich schildere dir nur ihre Sicht der Dinge, ihre vermutliche Reaktion darauf.«
»Landon, der Anwalt. Nein, besonders gern hätte ich ihn bestimmt nicht gemocht.«
»Landon, der Anwalt, trägt den Fall nur vor. Den Fall zweier Männer aus einer ganz bestimmten Epoche mit einer ganz bestimmten Moral. Töchter galten als persönlicher Besitz, Abra. Das war falsch, aber so war es nun mal. Auf einmal war sie keine Investition mehr, sondern eine Last.«
»Ich kann mir das unmöglich länger anhören.«
»Reiß dich zusammen«, sagte er, als sie aufsprang. »Ich rede vom achtzehnten Jahrhundert.«
»Aber so, als wärst du sehr damit einverstanden.«
»Das ist Geschichte. Ich kann mir nur ein klares Bild machen, wenn ich die Sache logisch und nicht emotional angehe.«
»Ich bevorzuge das Emotionale.«
»Das ist deine Stärke.« Deshalb würden sie ihre Perspektive ebenfalls berücksichtigen. Die emotionale und die logische Seite sehen. »Und, wenn du auf deine Emotionen hörst, was ist deiner Meinung nach passiert?«
»Roger Landon
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