Das Geheimnis der Wellen
Seidenpapier.
»Ich habe durchs Teleskop geschaut, bevor ich hochkam. Er ist nach wie vor abgetaucht.«
»Er wird zurückkommen.«
»Ich weiß, aber ich hasse diese Warterei.« Endlich kam sie zu ihm, um ihn zu küssen. »Warum schreibst du nicht an deinem Roman? Es ist noch viel zu früh, um mit der Arbeit aufzuhören.«
»Ich bin mit dem ersten Entwurf fertig. Deswegen mache ich eine kleine Pause, um alles etwas sacken zu lassen.«
»Du bist fertig.« Sie schlang ihm die Arme um den Hals und wackelte mit den Hüften. »Das ist fantastisch. Das muss gefeiert werden.«
»Ein erster Entwurf ist kein fertiges Buch.«
»Natürlich ist er das. Ein Buch, das Feinschliff benötigt. Und, was hast du für ein Gefühl?«
»Eines, das mir sagt, dass viel Feinschliff nötig sein wird. Davon abgesehen, eigentlich ein ganz gutes. Es ging schneller als gedacht. Als ich erst mal alles vor mir sah, schrieb es sich fast von allein.«
»Das müssen wir feiern. Ich werde uns etwas Tolles zum Abendessen kochen und Champagner kalt stellen.«
Begeistert ließ sie sich auf seinen Schoß fallen.
»Ich bin stolz auf dich.«
»Du hast es noch gar nicht gelesen. Nur eine Szene.«
»Das ist mir egal. Du hast es zu Ende geschrieben. Wie viele Seiten?«
»Aktuell hat es fünfhundertdreiundvierzig Seiten.«
»Du hast fünfhundertdreiundvierzig Seiten geschrieben? Und das, obwohl du gerade in einem echten Albtraum lebst. Du hast in einer extremen Umbruchphase geschrieben, unter ständigem Stress. Wenn du jetzt nicht stolz auf dich bist, bist du unsympathisch bescheiden oder blöd. Du hast die Wahl.«
Sie sorgt einfach für gute Laune, dachte er. Sie sorgt dafür, dass es mir gut geht.
»Wenn das so ist, dann sage ich doch lieber, dass ich stolz auf mich bin.«
»Das gefällt mir deutlich besser.« Sie bedeckte ihn mit schmatzenden Küssen und schlang ihm erneut die Arme um den Hals. »Heute in einem Jahr steht dein Buch in den Läden oder steht kurz vor der Veröffentlichung. Dein guter Ruf wird wiederhergestellt, und du wirst auf jede Frage in Bezug auf Bluff House eine Antwort wissen.«
»Deinen Optimismus möchte ich haben.«
»Ich bin nicht nur optimistisch. Ich lege Tarotkarten.«
»Na dann! Lass uns meinen gigantischen Vorschuss für eine Reise nach Belize ausgeben.«
»Gern.« Sie löste sich von ihm. »Optimismus und das Legen von Tarotkarten sind mächtiger, als Sie denken, Sie Faktenfetischist. Vor allem, wenn man sich nicht ausschließlich darauf verlässt. Warum Belize?«
»Keine Ahnung. Das ist mir einfach so eingefallen.«
»Oft ist die erste Idee die beste. Hast du heute etwas Interessantes entdeckt?«
»Nichts, was mit der Mitgift zu tun hätte.«
»Na, es ist ja noch genug übrig. Ich fang mit der nächsten Truhe an.«
Sie arbeitete neben ihm und beschloss dann, zur Abwechslung die Schublade einer alten Kommode durchzusehen.
Erstaunlich, was die Leute so alles aufbewahren, dachte sie. Lineale, Stickereien und Kinderzeichnungen auf Papier, das jeden Moment zu Staub zu zerfallen drohte. Sie entdeckte eine Schallplattensammlung, vermutlich aus derselben Ära wie das korallenrote Kleid. Amüsiert klappte sie den Grammofondeckel auf, zog den Apparat auf und legte die Platte auf.
Als knacksende, blecherne Musik den Raum erfüllte, sah sie grinsend zu Eli hinüber. Sie fuchtelte mit den Armen, tanzte einen Shimmy und entlockte ihm ein Lächeln.
»Du solltest das Kleid anziehen.«
Sie zwinkerte ihm zu. »Später vielleicht.«
Sie tanzte zurück zur Kommode und zog die nächste Schublade auf.
Sie bildete Stapel. So viele Stoffreste, dachte sie. Irgendjemand hatte die Kommode einmal für Nähzeug benutzt, Seiden- und Brokatstoffe, feine Woll- und Satinstoffe darin aufbewahrt. Bestimmt war so manch schönes Kleid daraus entstanden, andere waren entworfen und nie genäht worden.
Die unterste Schublade stand zur Hälfte auf. Nachdem sie ein paar Mal daran gezerrt hatte, zog sie Stoffmuster sowie einen Umschlag mit Stecknadeln, ein altes Nadelkissen in der Form einer roten Tomate und eine Blechdose mit verschiedenen Garnen heraus.
»Oh, Schnittmuster aus den 1930er- und 1940er-Jahren.« Vorsichtig zog Abra sie heraus. »Smokinghemden, Ballroben. Schau dir dieses Sommerkleid an.«
»Mach nur weiter so.«
Sie würdigte ihn keines Blickes. »Sie sind einfach wunderbar. Wenn ich sie so sehe, wundere ich mich, dass ich nie Vintage-Kleider getragen habe. Ob ich es wohl schaffe, mir dieses Sommerkleid zu
Weitere Kostenlose Bücher