Das Geheimnis Des Amuletts
»Ich dachte, ihr wärt froh, dass ich etwas gefunden habe, das uns weiterhelfen kann.«
»Das sind wir auch«, sagte ich rasch. »Es ist nur … willst du uns nicht sagen, wie du das gemacht hast?«
»Ich … ich hatte einen Traum. Ich habe von Miss Scratton geträumt; sie hat mir gesagt, was wir tun müssen.«
Das klang geschwindelt, obwohl Helen doch sonst immer so ehrlich war. Evie runzelte wieder etwas die Stirn, und Josh schüttelte leicht den Kopf.
»Gut. Nun … das ist gut«, sagte ich unsicher.
Aber Evie runzelte immer noch die Stirn. »Was hast du in deinem Traum sonst noch von Miss Scratton erfahren?«
»Nur das«, erwiderte Helen. »Wir sollen in der Nacht des nächsten Neumonds nach Laura und dem Auge der Zeit Ausschau halten. Oder zumindest ich werde es tun müssen«, fügte sie verdrießlich hinzu. »Ihr müsst nicht mitkommen.«
Stille. Warten. Evie schien Helens Worte abzuwägen, um herauszufinden, was da vor sich ging. »Natürlich kommen wir mit«, sagte sie schließlich. »Wir sind Schwestern, also tun wir es gemeinsam. Wir haben keine Geheimnisse voreinander, oder?«
»Nein«, sagte Helen, doch ich glaubte ihr nicht, und ich schätzte, das wusste sie auch. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung. Es ging um Laura. Ich versuchte, pragmatisch zu sein.
»Also, wie sollen wir deiner Meinung nach vorgehen?«, fragte ich, als wäre alles vollkommen in Ordnung. »Wir müssen natürlich den Kreis ziehen, und ich habe das Buch auch bei mir.« Ursprünglich hatte Sebastian das Buch gefunden, diesen uralten, ledergebundenen Band mit den Überlieferungen des Mystischen Weges. »Hoffen wir, dass wir darin etwas Hilfreiches finden. Ich habe mir bereits ein paar Dinge angesehen. Da ist ein Zauberspruch, der Leute erweckt, die unter einem Fluch stehen. Das könnte uns vielleicht helfen.«
»Nein«, sagte Helen und nahm mir das Buch aus der Hand. Sie reichte es an Cal weiter. »Wir werden es nicht brauchen, noch nicht, zumindest. Ich glaube, ich weiß, was wir tun. Vor dem nächsten Neumond können wir Laura auf keinen Fall von ihrer Bindung befreien, aber wir müssen in Kontakt mit ihr treten und sie darauf vorbereiten. Evie, darf ich bitte mal den Talisman halten?«
Wir starrten Helen an. Ihre Worte klangen auf eine eigenartige Weise eindringlich, wie sie da in ihrer Jeans und einem formlosen Pullover im Schatten des baufälligen Bauernhofs stand. Ein paar blonde Strähnen fielen ihr über die Augen, und sie wirkte wie eine Pilgerin auf einem alten Gemälde, die sich zu einem geheimnisvollen Ziel aufgemacht hat. Evie nickte langsam und reichte Helen den Talisman.
Als Helen ihn hielt, glitzerte der Kristall in der Mitte klar und weiß.
»Agnes«, flüsterte Helen. »Höre uns. Sei jetzt bei uns. Du hast die Kraft deiner Liebe in diesen Talisman strömen lassen. Sie verbindet uns alle, Gegenwart und Vergangenheit. Lass sie zu einer Brücke zwischen dem Licht und der Dunkelheit werden. Lass sie in den Schatten strahlen, wo Laura verloren und voller Angst haust.«
Dann zog sie mit ihren bloßen Fingern einen Kreis auf dem Boden. Wir drei traten in diesen Kreis und hielten uns an den Händen, während die Jungen zusahen. Cal wirkte hin und her gerissen zwischen Stolz auf meine Fähigkeiten und leichtem Argwohn gegenüber allem, das mich von ihm trennte, aber Joshs Augen waren voller Bewunderung für Evie, als sie Helens Worte wiederholte: »Agnes. Höre uns. Sei jetzt bei uns. Vervollständige unseren heiligen Kreis.«
Und so riefen wir die Mächte der Luft, des Wassers, der Erde und des Feuers herbei. Helen hielt den Talisman in die Höhe. Sie begann, mit ihrer reinen, klaren Stimme zu singen. Der dürftige Raum mit den Steinmauern begann, sich mit Licht und Klängen zu füllen, die vom Innern des Edelsteins aus aufzusteigen schienen. Unter Helens Führung hatten Evie und ich stolpernd zu unseren elementaren Kräften gefunden, und jetzt führte sie uns wieder, wie eine Prophetin, die dem großen Unsichtbaren etwas vorsang. Ein silbernes Seil aus Licht, beschworen durch Helens Lied, begann sich aus dem Talisman zu materialisieren und webte Kreise in Kreisen. War das der Moment, in dem ich zum ersten Mal begriff, dass Helen weit über das hinaus war, was ich jemals sein könnte? Oder war es der Augenblick, als sich in der Luft weitere bunte Bänder aus Licht bildeten und zu Schemen und Bildern formten? Ehrfurchtsvoll sahen wir zu, während Szenen aus Lauras Leben in Sicht
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