Das Geheimnis Des Amuletts
besagt, dass das Auge der Zeit alles sieht.«
»Das Auge der Zeit sieht alle Dinge«, murmelte Helen und fuhr mit dem Finger über die Worte. »Ja, das stimmt.«
»Aber das verrät uns immer noch nicht, wo wir Laura finden werden«, sagte Josh.
»Wie schon gesagt: Ich denke, dass man uns den Weg weisen wird«, erwiderte Helen. »Aber es gibt da etwas, das ich tun könnte; es könnte vielleicht helfen. Allerdings muss ich es allein tun.«
»Sprichst du von einem weiteren Traum?«, fragte Cal spöttisch.
Helen errötete schwach, während ich Cal finster ansah. Sie war zu zart, als dass man sie derart aufziehen sollte. Aber statt verärgert zu sein, schlang Helen plötzlich ihre Arme um mich und Evie und sah Cal und Josh an. Tränen standen in ihren Augen.
»Ihr vier – ihr bedeutet mir so viel. Schützt euch. Achtet darauf, dass ihr in Sicherheit seid. Bleibt im Licht. Lasst mich den Rest machen, bitte.« Sie trat einen Schritt zurück, und mit einer raschen Bewegung hüllte sie sich in die schwachen Schatten des verfallenen Hofes und zog die Luft wie eine weiche Decke um ihre Schultern. Einen Moment später war sie weg.
»Was zum Teufel hat sie damit gemeint?«, fragte Cal verwundert. »Und wie macht sie das alles?«
»Ja«, sagte eine leise, heisere Stimme plötzlich hinter mir. »Das verstehe ich auch nicht. Also, wer erklärt es mir?« Mein Herz machte einen Satz, und ich wirbelte herum. Mitten in der Tür stand Velvet, ein boshaftes Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht. Sie hatte alles gehört und gesehen.
Fünfzehn
Aus dem Tagebuch von Helen Black
9. Oktober
An diesem Nachmittag hat sich alles innerhalb einiger weniger Augenblicke verändert, mein Wanderer. Ich bin gerade von den Moors wiedergekommen und weiß, dass meine Freundinnen nach mir suchen werden, aber ich möchte das hier aufschreiben, bevor ich es vergesse. Es ist noch so neu, wie ein Windhauch bei Sonnenaufgang. Außer mir ist niemand im Schlafsaal, so dass ich unbeobachtet bin, und daher kann ich dir sagen, dass eine kleine, gerissene Stimme in meinem Kopf mich immer wieder auffordert: V ergiss Laura einen Augenblick. Folge stattdessen diesem flackernden Sumpflicht. Tanze auf dem märchenhaften goldenen Pfad. Schließe einfach die Augen, und denk an das, was er gesagt hat. Er sagt es vielleicht nie wieder. Genieß diese Süße. So intensiv wie möglich, so lange du kannst.
Mein Geist scheint blendend hell zu brennen! Ich tanze, ich gleite durch die Luft, ich bin ein Lied im Wind.
Ich bin verrückt, ich weiß. Lass mich dir sagen, was heute geschehen ist, Wanderer, und verurteile mich nicht.
Nachdem wir beim Hof von Uppercliffe unseren Kreis gezogen hatten, hielt ich es für sinnvoll, mich noch einmal dem Geist meiner Mutter zu nähern. Ich wollte nachsehen, ob ich dort weitere Informationen über das Auge der Zeit erhalten könnte. Abgesehen davon sehnte ich mich auch danach zu erfahren, was nach meinem letzten Besuch passiert war, als sie diese schrecklichen Qualen gelitten hatte. Ich fürchtete, dass sie von ihrem dunklen Meister weggezerrt und außerhalb meiner Reichweite geschafft worden war. Daher zog ich mich zurück, bevor meine Freunde mich aufhalten oder mir zu viele Fragen stellen konnten. Ich hatte die Neugier in ihren Augen gesehen, und ich wollte nicht, dass sie irgendwie mitbekamen, was ich getan hatte und noch tun würde.
Mein Element der Luft war mir wohlgesonnen, und ich brauchte nur wenige Momente, um über den geheimen Pfad zu reisen. Als ich aus der Luft in den Schatten der großen Steine stürzte, fing es gerade an zu regnen. Die ersten kühlen Regentropfen fühlten sich auf meinem Gesicht sogar gut an; dann verwandelte sich der Schauer rasch in einen heftigen Regenguss, wie er manchmal in den nördlichen Moors vorkommt. Wasser, Erde und Luft – ich war umgeben von den majestätischen Elementen. Nur das Feuer fehlte, aber in diesem Moment riss ein blauer zackiger Blitz den Himmel auf. Ich hörte inmitten des Sturmes einen seltsamen Schrei, wie die Stimme eines Vogels, und lief zum Rand des Kreises, um meinen Blick über die Moors schweifen zu lassen. Jemand kam den Hang hochgeklettert, den Kopf zum Schutz vor dem Regen gesenkt. Als er aufsah, erkannte ich das schmale, blasse Gesicht und die lachenden Augen sofort. Er war es, der Musiker. Er schien damit gerechnet zu haben, mich zu sehen, auch wenn ich nicht erklären kann, wieso ich auf diesen Gedanken kam. Er stemmte sich gegen den Wind, während er sich zu mir
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